Münster. Die Stadt Münster hat die niedrigste 7-Tage-Inzidenz in NRW. Einer der Gründe dürfte die offenbar sehr hohe Impfquote in der Bevölkerung sein.
Nicht zum ersten Mal in dieser Corona-Pandemie hat die Stadt Münster NRW-weit die geringsten Inzidenz-Werte. Mit 142,2 lag Münster am Sonntag den Daten des Robert-Koch-Instituts nach noch weit unter dem NRW-Wert 290,2. Ein Grund dafür dürfte die Impfquote sein. Die ist in Münster NRW-weit wohl einsame Spitze.
Nach Informationen der Stadt Münster geht man von einer Impfquote von 92 Prozent bei den Über-12-Jährigen aus, teilt ein Sprecher auf Nachfrage mit. Der Hörfunksender Antenne Münster meldete zuletzt Anfang Oktober (externer Link) mit Verweis auf den Krisenstab 82 Prozent Impfquote insgesamt und 93 Prozent bei der Bevölkerungsgruppe ab 18 Jahre. Der Bundesdurchschnitt bei den Erwachsenen lag zuletzt laut Robert-Koch-Institut bei 82,4 Impfquote.
Münster ist auch „Spitze“ bei der Booster-Impfquote
Eine konkrete Impfquote kommuniziert die Stadt Münster jedoch selbst nur auf Anfrage, nicht in ihren online veröffentlichten Daten: Bei knapp 313.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zählte man Ende November nach eigenen Angaben 257.619 in Münster geimpfte Personen - unabhängig von deren Wohnort. Abzuziehen wären noch 32.362 Kinder bis elf Jahre in der Stadt, für die es nach wie vor keine Impfempfehlung gegen das Coronavirus gibt; eine Enscheidung der Ständigen Impfkommission (Stiko) wurde für Ende Dezember angekündigt. Hinzu kommt: Ein Fünftel der Vollständig geimpften sind in Münster inzwischen „geboostert“ (Stand 1. Dezember). Auch mit diesem Wert liegt die Stadt deutlich über den aktuell für das Land NRW gemeldeten 15,9 Prozent Booster-Impfquote.
Für den Essener Virologen Prof. Ulf Dittmer, Chefvirologe am Uniklinikum Essen, ist ein Zusammenhang zwischen Impfquote und Inzidenzwert klar: „Schon fünf Prozent Unterschied in der Impfquote lassen deutlich höhere Inzidenz-Werte zu“, erklärt Dittmer in seinem aktuellen wöchentlichen Video-Podcast mit dieser Zeitung.
Virologe sieht Inzidenz-“Deckel“ für NRW
Dittmers Einschätzung nach, dürfte es in NRW einen rechnerischer „Deckel“ bei der Inzidenz-Entwicklung geben, den der Virologe mit Verweis auf die Lage in Großbritannien bei 450 sieht. Als wünschenswert gelten Impfquoten von über 80 oder gar 90 Prozent. Mit immerhin 71,8 Prozent Impfquote steht NRW bundesweit vergleichsweise gut da. Schlusslicht im Bund ist Sachsen mit 58,4 Prozent „vollständig Geimpften“ - dort hatte am Sonntag die Stadt Leipzig die geringste 7-Tage-Inzidenz mit 647,7 und der Landkreis Mittelsachsen die höchste, mit 2208,5. Die 7-Tages-Inzidenz für das Bundesland Sachsen lag am Sonntag bei 1227,1.
Die offenbar hohe Impfquote in der Stadt Münster macht sich auch im dortigen Uniklinikum bemerkbar, sagt eine Sprecherin: „Von den Covid-Patienten, die bei uns derzeit behandelt werden, sind keine wohnhaft in der Stadt Münster.“ Patienten kämen ausschließlich aus dem Umland, das von der niederländischen Grenze bis ins Emsland und das Sauerland reiche, sagt die Sprecherin. Darunter sind viele Landkreise mit Inzidenzen über 300.
Land NRW weist keine lokalen Impfquoten aus
Daten zu lokalen Impfquoten listet das Land NRW indes nicht auf: Das Impfgeschehen werde nach Impforten, nicht nach Wohnorten der Impflinge erfasst, teilt eine Sprecherin mit. „Deshalb existieren keine belastbaren, kreis-/stadtscharfen Zahlen der Impfquoten, die mit den regionalen Inzidenzahlen rechnerisch gegenübergestellt werden könnten.“
"Eine hohe Impfquote trägt neben weiteren Maßnahmen entscheidend zur Eindämmung des Infektionsgeschehens bei", sagt ein Sprecher der Stadt Köln auf Anfrage. Die Domstadt hat seit Tagen die höchste 7-Tages-Inzidenz in NRW. Sie lag am Sonntag bei 435,2. Auffallend im Vergleich zu Münster ist der Unterschied in der lokalen Impfquote: 74,78 Prozent der Bevölkerung gelten aktuell als vollständig gegen Corona geimpft, immerhin gut drei Prozentpunkte mehr als der NRW-Durchschnitt. Es dürfte noch weitere Gründe geben, warum die beiden Städte in der Inzidenz so weit auseinander liegen. Doch Daten zum Zusammenhang zwischen Impfquote und sozioökonomischen Faktoren liegen in Köln nicht vor, teilt die Stadt mit.
Stadt Münster lobt: Bürgerinnen und Bürger verhalten sich "auffallend diszipliniert"
Bei der Stadt Münster selbst ist man zurückhaltend „mit einfachen Ursache-Wirkungs-Aussagen“, sagt ein Sprecher. Es brauche umfangreichere Daten mit größerer Aussagekraft, um Schlüsse zu ziehen, meint er. Gleichwohl hebt er hervor, „die Stadt profitiert vom Verhalten der Bürgerinnen und Bürger, die sich in aller Regel auffallend diszipliniert an die Corona-Schutzregeln halten.“
Auch eigene Anstrengungen könnten zu der vergleichsweise günstigen Corona-Lage in Münster geführt haben, glaubt der Sprecher: Die Stadt kommuniziere das Thema Corona-Schutz „sehr offensiv und intensiv“ über zahlreiche Kanäle „und nimmt zum Beispiel auch eigenes Geld für großflächige Anti-Corona-Plakatkampagnen in die Hand.“ Eine der Aufklärungskampagnen habe gar eine Auszeichnung gewonnen.
Doch gibt man sich in Münster vorsichtig, dass sich die Lage nicht auch dort noch verschlechter könnte, zumal die „Omikron“-Mutation inzwischen auch in NRW nachgewiesen wurde, sagt der Sprecher: Trotz des „vergleichsweise glücklichen Umstands“ einer nach wie vor niedrigen 7-Tage-Inzidenz, würden es die Verantwortlichen in Münster „vermeiden, mit einem Nachlassen der intensiven Anstrengungen im Kampf gegen die Pandemie zu reagieren oder beispielsweise vorzeitig fahrlässige Lockerungen in Aussicht zu stellen.“ Das Bewusstsein, dass dazu derzeit kein Anlass bestehe, sei auch „in der Bürgerschaft sehr ausgeprägt“, meint der Sprecher.
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