Essen. Nach dem dramatischen Unwetter in NRW fordert der BUND-Landeschef Dirk Jansen das Land NRW zu konkreten Maßnahmen für mehr Klimaschutz auf.
Nach heftigen Regenfällen kämpfen Einsatzkräfte vielerorten in NRW mit einer sich verschärfenden Hochwasserlage. Dirk Jansen ist Geschäftsleiter des NRW-Landesverbandes des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er fordert einen politischen Kurswechsel, um Gewässer und Städte für extreme Wetterlagen stärker zu wappnen.
Herr Jansen, die Folgen des starken Unwetters sind in NRW dramatisch. Ist das noch Wetter oder schon Klimawandel?
Dirk Jansen: Zunächst einmal ist das ein Extremwetter, wie es bislang selten vorgekommen ist. Klar ist aber, dass der Klimawandel extreme Ereignisse wie starke Hitze, Dürre oder heftige Regenfälle irgendwann zur Regel machen wird. Die Intensität solcher Ereignisse nimmt statistisch gesehen zu. Deshalb dürfen wir nach der Bewältigung der aktuellen Extremsituation nicht versäumen, konsequente Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen.
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Wo muss NRW ansetzen, um besser gegen Starkregen gewappnet zu sein?
Das Land muss Sorge tragen, dass möglichst viel Wasser schon in der Landschaft wieder gebunden wird. Das fängt bei der Waldpolitik an. Gerade bei Hagen, das vom Hochwasser stark betroffen ist, gibt es einen klaren Zusammenhang zu einer verfehlten Holzpolitik. Dort gibt es Wälder als Fichten-Monokulturen, die massiv durch Borkenkäfer beschädigt sind und deren Böden das Regenwasser nicht mehr ausreichend speichern können. Auch durch intensiv bewirtschaftete Flächen rauscht das Wasser so durch. Wir brauchen eine kleinräumigere, ökologischere landwirtschaftliche Nutzung und eine natürliche Waldentwicklung.
Was hat der Flächenverbrauch in NRW mit Hochwasserschutz zu tun?
Eine Menge. Wo Flächen versiegelt werden, können sie kein Wasser aufnehmen. Die frühere rot-grüne Landesregierung hatte in ihrem Landesentwicklungsplan ein klares Ziel vorgegeben, den Flächenverbrauch auf fünf Hektar am Tag zu begrenzen (Anm. der Red.: 2019 lag der Verbrauch bei etwa zehn Hektar pro Tag). Als eine der ersten Handlungen der Regierung von Armin Laschet wurde der Landesentwicklungsplan revidiert und das Fünf-Hektarziel gestrichen. Stattdessen erleben wir, dass immer mehr Siedlungsbereiche und flächenintensive Anlagen auf der grünen Weise entstehen. Hier wird Freiraum bebaut, der als Wasserspeicher wegfällt. Das muss aufhören.
Nun werden aber zumindest Flüsse umgebaut – allen voran die Emscher als großes Jahrhundertprojekt.
Nur acht Prozent der Gewässer in NRW sind in einem guten Zustand. Die meisten sind keine mäanderten Flüsse mit Auen, die Wassermassen zumindest zu Teil auffangen können. Auch hier erleben wir, dass NRW zu wenig dagegen arbeitet. Ein aktuelles Beispiel: Bei der Sanierung des Himmelgeister Deichs in Düsseldorf soll ein rheinnaher Deich gebaut werden. Damit wird die Chance, neue Hochwasserrückhalteflächen zu schaffen, verworfen. Dagegen haben wir Klage eingereicht.
Welche Rolle spielt das Klimaanpassungsgesetz, für das sich NRW in einer Vorreiterrolle sieht?
Wir waren doch schon einmal viel weiter. Unter Rot-Grün ist in mühsamer Kleinstarbeit ein Klimaschutzplan mit konkreten Zielen und Vorgaben erarbeitet worden, der in dieser Legislaturperiode in die Tonne gekloppt wurde. Stattdessen haben wir jetzt mit dem Klimaanpassungsgesetz einen Papiertiger, weil es zu wenig verbindlich, zu wenig unterfüttert und nicht in die Regionalplanung eingebaut ist.
Was fordern Sie?
Wir brauchen eine konsequente Klimafolgen-Anpassungsstrategie, die auf den Ebenen von Land, Region und Kommune konkrete verbindliche Maßnahmen für die Flächennutzung festsetzt. Und wir müssen die Städte finanziell in die Lage versetzen, Maßnahmen umzusetzen. Weniger Wirtschaftsförderung, mehr Klimaschutz. Wir brauchen einen Politikwechsel.