Berlin. Bahnreisende sollen künftig für größere Verspätungen im Bahnverkehr entschädigt werden. Das hat der Bundestag beschlossen. Fahrgäste sind bei Verzögerungen ihrer Reise damit nicht mehr wie bisher auf die Kulanz der Unternehmen angewiesen.
Bahnreisende sollen künftig für größere Verspätungen im Bahnverkehr entschädigt werden. Hat ein Zug mehr als eine Stunde Verspätung oder fällt er gar ganz aus, müssen Bahnunternehmen ihren Kunden einen Teil des Ticketpreises zurückzahlen. Das beschloss der Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition am Freitag in Berlin. Fahrgäste sind bei Verzögerungen ihrer Reise damit nicht mehr wie bisher auf die Kulanz der Unternehmen angewiesen. Die Opposition kritisierte die Regelungen als unzureichend.
Das Gesetz stärke die Rechte der Bahnreisenden, «ohne aber die ausgewogene Balance zu der finanziellen Belastbarkeit und der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahnverkehrsunternehmen aus den Augen zu verlieren», sagte der Parlamentarische Justizstaatssekretär Alfred Hartenbach (SPD). Er erteilte Forderungen, Entschädigungen schon für Verspätungen ab einer halben Stunde zu zahlen, eine Absage.
Druck aufbauen
Auch der CDU-Abgeordnete Günter Krings verteidigte die Regelung, die Bahnunternehmen erst ab einstündigen Verspätungen zu verpflichten. Der Bahnverkehr sei hochsubventioniert. «Wir können es eben auch dem nicht-bahnfahrenden Steuerzahler nur beschränkt zumuten, hier in seine Tasche zu greifen.» Er unterstrich, das Gesetz diene nicht dazu, an möglichst viele Bahnkunden möglichst viele Entschädigungen zu zahlen. Vielmehr solle Druck aufgebaut werden, dass die Bahn in Pünktlichkeit investiere. «Wir wollen, dass die Bahn erheblich mehr tut in diesem Bereich.»
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) lobte die Entscheidung des Bundestags als "großen verbraucherpolitischen Gewinn.» Der Gesetzesentwurf gehe weit über die EU-Vorgaben hinaus. Aigner appellierte an die Länder, dem Gesetz im Bundesrat ebenfalls zuzustimmen.
Die Linke kritisierte, dass die Bundesregierung nicht weiter über die Mindeststandards der EU hinausgegangen sei. Erstattungen schon bei Verspätungen ab einer halben Stunde würden «wenigstens annährend ein einer Relation zu dem Ärger und dem Aufwand stehen, der für viele Reisende durch die Verspätungen entstehen kann.» Auch die Grünen kritisierten, die Entschädigungssätze seien zu niedrig und griffen zu spät. Außerdem sei die Reisekette nicht klar geregelt und der Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) ausgeklammert worden. Die große Koalition habe nicht verstanden, wozu Fahrgastrechte dienten, sagte der Grünen-Verkehrsexperte Anton Hofreiter.
Mehr Rechte als bislang eingeräumt
Die Allianz pro Schiene begrüßte den Bundestagsbeschluss. Damit würden Bahnreisenden mehr Rechte als bislang eingeräumt. «Früher waren Fahrgäste bei Verspätungen auf die freiwilligen Regelungen der Bahnunternehmen angewiesen. Heute steht ihnen eine Entschädigung gesetzlich zu», sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) bezeichnete die Regelungen insgesamt als positiv, sieht aber Bedarf für Nachbesserungen. «Auch schon bei geringerer Verspätung entstehen den Fahrgästen wirtschaftliche und persönliche Nachteile», kritisierte der VCD-Bundesvorsitzende Michael Gehrmann.
Mit dem Gesetz sollen Bahnunternehmen verpflichtet werden, im Falle von mindestens einstündigen Verspätungen einen Teil der Reisekosten zu erstatten, alternative Reisewege anzubieten oder notfalls für eine Hotelunterkunft zu sorgen, sollte eine Übernachtung notwendig sein. Bei Verspätungen im Nahverkehr ab 20 Minuten sollen Reisende künftig Anspruch auf Benutzung eines alternativen Zuges sowie auf Ersatz der notwendigen Fahrkosten haben. Der Bundesrat entscheidet am 15. Mai über das Gesetz. (ddp)