Berlin. Die von Union und FDP geplante Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate erhöht aus Sicht des Bundeswehrverbandes die Wehrgerechtigkeit. Der Vorsitzende sieht die Chance, "mehr Grundwehrdienstleistende einzuziehen". In 2008 zog die Bundeswehr nur 15 Prozent der Gemusterten ein.

Eine Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate würde aus Sicht des Bundeswehrverbands die Wehrgerechtigkeit erhöhen. 100 Prozent Gerechtigkeit habe es in der Frage noch nie gegeben, sagte der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Bei einer kürzeren Wehrpflicht aber «wäre auch die Chance gegeben, mehr Grundwehrdienstleistende einzuziehen». Somit käme man der Wehrgerechtigkeit etwas näher. Im vergangenen Jahr wurde nur etwa 15 Prozent aller Gemusterten eingezogen.

Kirsch sagte, man müsse aber auch sicherstellen, dass der geleistete Dienst «so sinnvoll ist, dass wir auch junge Menschen überzeugen, dass es gut ist, dass wir sie über ein halbes Jahr oder im Moment noch neun Monate aus ihren Lebensumständen herausnehmen». Man müsse die Pflicht «auch über die Aufgabe begründen». Das fehle derzeit ein wenig. In der Debatte über die militärische Landesverteidigung gebe es noch viele Schulaufgaben.

Bundeswehr rekrutiert 40 Prozent über den Wehrdienst

Der Einführung eines grundsätzlich freiwilligen Wehrdienstes stehe die Bundeswehr «durchaus offen» gegenüber, sagte Kirsch weiter. Dies bedürfe aber einer Änderung des Grundgesetzes mit Zwei-Drittel-Mehrheit: «Das wird im Moment keiner lösen können.»

Sechs Monate Wehrpflicht wäre laut Kirsch eine Art «Schnupperkurs», um sich für die Bundeswehr zu entscheiden. Bis zu 40 Prozent des guten Nachwuchses rekrutiere die Bundeswehr über den Wehrdienst.

Union und FDP einigten sich in den Koalitionsverhandlungen darauf, die allgemeine Wehrpflicht künftig zu verkürzen. Während CDU/CSU auch in Zukunft an der Wehrpflicht festhalten wollten, forderte die FDP ein schnellstmögliches Ende des Wehrdienstes und den Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee. Im FDP-Wahlprogramm heißt es, die Wehrpflicht sei nicht mehr zu begründen. Sie müsse schnellstens ausgesetzt werden. FDP-Chef Guido Westerwelle hatte im Juli in einem Zeitungsinterview gesagt, die Wehrpflicht habe ihre Verdienste, sei aber «eine Sache von gestern». Sie sei überflüssig und ungerecht. Derzeit würden nur rund 15 Prozent der Männer eines Jahrgangs eingezogen.

Vertretbarer Kompromiss

Der FDP-Unterhändler in der Arbeitsgruppe Außen- und Verteidigungspolitik, Werner Hoyer, hat die geplante Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monate als «vertretbaren Kompromiss» bezeichnet. «Das Problem der Wehrungerechtigkeit wird damit entschärft. Denn wir können ein Drittel mehr junge Männer rekrutieren", sagte er dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Außerdem ließen sich so weiterhin ausreichend viele und qualifizierte freiwillig Längerdienende sowie Zeit- und Berufssoldaten gewinnen. Die bis zu 23 Monaten freiwillig Längerdienenden dürfen im Ausland eingesetzt werden.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold monierte in der Zeitung hingegen: «Die Entscheidung ist bar jeder Kompetenz. Sie führt dazu, dass die Wehrpflicht von innen her ausgehöhlt wird, weil sie keinen Sinn mehr macht.»

Die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen (KDV) nannte die Einigung dagegen ungenügend. Eine Wehrdienstverkürzung sei keine Lösung für den notwendigen Abschied von der Wehrpflicht, sagte KDV-Geschäftsführer Peter Tobiassen. Für die Lebensplanung der Betroffenen bedeute die neue Dienstzeit nach wie vor ein Jahr Ausbildungszeitverlust. Abiturienten müssten nach sechs Monaten Wehr- oder Zivildienst neun Monate auf den nächstmöglichen Studienbeginn im Oktober, andere Schulabgänger sieben Monate auf sonstige Ausbildungsbeginne im August warten. Auffangen und finanzieren müssen diese Wartezeiten die Eltern, die Arbeitsagenturen und die Sozialämter. (ap/afp/ddp)