Berlin. Innenminister Wolfgang Schäuble zeigt sich beunruhigt: Die Zahl der politisch motivierten Straftaten hat im vergangenen Jahr ein neues Rekordniveau erreicht. Besonders stark war der Anstieg im rechten Spektrum.
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im vergangenen Jahr auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Wie das Bundesinnenministerium am Montag in Berlin mitteilte, registrierten die Behörden 31.801 Delikte, was einem Zuwachs um mehr als elf Prozent entspricht. Besonders stark war der Anstieg im rechten Spektrum. Minister Wolfgang Schäuble nannte die Entwicklung beunruhigend.
«Bei den sich seit einigen Jahren ohnehin auf viel zu hohem Niveau bewegenden Fallzahlen ist mit einem Anstieg um rund 11,4 Prozent ein erheblicher Zuwachs zu verzeichnen», erklärte der CDU-Politiker. Zwei Menschen hätten infolge politisch motivierter Gewalt sogar ihr Leben verloren.
Die Zahl der Gewalttaten ging mit insgesamt 2.529 Delikten im Vergleich zum Vorjahr zwar geringfügig zurück (minus 0,5 Prozent). Seit Einführung des Definitionssystems der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2001 ist das aber noch der zweithöchste Wert.
Verherrlichung der NS-Zeit
Beim rechten Spektrum wurde der stärkste Anstieg der politisch motivierten Kriminalität verzeichnet (plus 16 Prozent auf 20.422). Dazu beigetragen hat laut Ministerium zweifellos die zum 1. Januar 2008 eingeführte bundeseinheitliche Erfassung auch der von unbekannten Tätern verübten «Propagandadelikte» (der NS-Verherrlichung), die nunmehr grundsätzlich diesem Bereich zugeschlagen werden. Propagandadelikte machten mittlerweile 69,9 Prozent aller rechten Straftaten aus.
Ein weiterer Teil des Anstiegs der rechten Kriminalität gehe auf das Konto der «Autonomen Nationalisten». In ihrem Auftreten bei Demonstrationen, in ihrer Sprache und Kleidung lehnten sie sich linksextremistischen Verhaltensweisen an. Dadurch übten sie gerade auf Jugendliche eine stärkere Anziehungskraft aus, als es die konventionelle rechte Szene bislang vermocht habe.
Auch im linken Spektrum mehr Straftaten
Auffallend sind Schäuble zufolge auch die Zuwächse im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im linken Spektrum. Obwohl es im Jahr 2008 für die linke gewaltbereite Szene kein dem G-8-Gipfel in Heiligendamm (2007) vergleichbares Ereignis gegeben habe, seien hier erneut die Fallzahlen angestiegen. Verantwortlich dafür seien vor allem Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit Landtagswahlkämpfen sowie Delikte im Rahmen von Aktivitäten gegen Rechtsextremisten.
Einer Abwendung von der demokratischen Streitkultur werde die Bundesregierung entschieden entgegentreten, erklärte Schäuble. «Wir wollen daher die vielfältigen Maßnahmen gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz fortführen. Ich appelliere an alle, hierbei unterstützend mitzuwirken und sich der gemeinsamen Sorge für unsere demokratischen Traditionen und Werte bewusst zu sein.»
"Polizei muss für 1. Mai mit allem rechnen"
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, erklärte: «Die Gangart der gewaltbereiten links- und rechtsextremen Gruppen verschärft sich.» Der immense Anstieg der Sachbeschädigungen um fast 50 Prozent belege, dass sinnlose Zerstörungswut immer mehr ausgelebt werde. «Diese Entwicklung zeigt, dass die Polizei für den bevorstehenden 1. Mai mit allem rechnen muss», meinte Freiberg. (ap)