Stuttgart. .

War sie es, die vor 33 Jahren Generalbundesanwalt Buback erschoss? Oder war sie eine Mittäterin, die den Anschlag vorbereitet hat? Die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker schweigt vor Gericht.

Sie saß hier schon einmal. 33 Jahre ist das her, da war Generalbundesanwalt Buback gerade ermordet worden und Verena Becker angeklagt, weil sie bei ihrer Festnahme auf Polizisten geschossen hatte. Die Frau, die nun durchaus selbstbewusst den Gerichtssaal des Hochsicherheitstraktes in Stuttgart-Stammheim betritt, ist 58 Jahre alt, trägt ihr braunes Haar kurz und eine sportliche Sonnenbrille, hinter der sie ihre empfindlichen Augen versteckt. Ihr Blick gleitet durch den Raum als suche er nach Erinnerungen.

33 Jahre nach den Schüssen auf Generalbundesanwalt Buback und seine zwei Begleiter soll sie sich wegen dieser Tat verantworten. Die Anklageschrift wirft ihr vor, maßgeblich an dem Mord beteiligt gewesen zu sein, ihn innerhalb der RAF durchgesetzt und geplant zu haben. 1977 hatte man nicht genügend Beweise, sie anzuklagen, obwohl die Tatwaffe bei ihrer Festnahme entdeckt worden war. 2007 jedoch, bei neuen Untersuchungen, entdeckte die Polizei ihre DNA auf dem Bekennerschreiben und handschriftliche Notizen, die sich wie ein Tateingeständnis lesen.

Becker nennt nur ihren Namen und ihr Geburtsdatum

Im Saal ihr gegenüber sitzt Michael Buback, Chemieprofessor aus Göttingen, der seinem ermordeten Vater so ähnlich sieht, der sich seit drei Jahren intensiv mit dem Fall beschäftigt. Buback, ebenso wie sein Bruder Horst und seine Mutter Inge als Nebenkläger zugelassen, hält sie, Verena Becker, für die Todesschützin. Für den Beifahrer auf dem Motorrad, von dem aus Buback am 7. April 1977 mit mindestens 15 Schüssen niedergestreckt wurde. Er beobachtet sie, hört aufmerksam zu, während der Vorsitzende Richter Hermann Wieland vorliest, was Becker vor einem Jahr dem Haftrichter erzählte. Denn hier, vor Gericht, will sie sich nicht äußern. Nicht zu ihrer Person. Nicht zur Anklage. Nicht jetzt zumindest.

Nur zwei Dinge sagt sie, ihren Namen und ihr Geburtsdatum. Ihre Adresse, bittet danach Verteidiger Walter Venedey, möge das Gericht nicht laut verlesen. Aus den Akten jedoch und ihren Aussagen beim Haftrichter erfährt man einiges über jene Verena Becker, die vor über 20 Jahren von Bundespräsident von Weizsäcker begnadigt wurde und seitdem bei ihrer Schwester im Westen Berlins lebt.

Becker lebt von Rente und Hartz IV

Gleich nach ihrer Entlassung aus der Haft hat sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin begonnen. Sie beschäftigt sich mit chinesischer Philosophie und „Orakel-Wissenschaft“, wie sie es nennt. Wegen einer rheumatischen Erkrankung wird sie allerdings nie in diesem neuen Beruf arbeiten. Seitdem lebt sie von Rente und Hartz IV.

Als die Ermittler 2008 ihre Wohnung durchsuchen, stoßen sie auf Notizen, in denen sie sich mit ihrer Vergangenheit beschäftigt. „Nein, ich weiß noch nicht, wie ich für Herrn Buback beten soll, ich habe kein wirkliches Gefühl für Schuld und Reue. Natürlich würde ich es heute nicht mehr machen – aber ist das nicht armselig, so zu denken und zu fühlen?!“ Auch schreibt sie einen Brief an „Herrn Buback junior“, wie sie dem Haftrichter erzählt, doch auf Anraten ihres Anwalts habe sie ihn nicht abgeschickt. Weil Buback mit seinem Buch „Der zweite Tod meines Vaters“ an die Öffentlichkeit gegangen sei, gebe es zwischen ihnen beiden „spirituell einen Konflikt, den es zu heilen gilt“.

Buback wirkt konzentriert. Die Blicke der beiden scheinen sich manchmal zu begegnen. Doch nach dem Verhandlungstag lässt er keinen Zweifel daran, worum es ihm geht: Die Wahrheit herauszufinden. „Drei Menschen sind bereits wegen des Mordes verurteilt worden: Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Knut Folkerts. Doch keiner von ihnen saß auf dem Motorrad!“

Buback glaubt, dass Becker als Informantin der Geheimdienste geschützt wurde und insistiert in dem Gerichtssaal, in dem einst auch die RAF-Köpfe Baader, Meinhof und Ensslin saßen, 1994 seien Akten vernichtet worden. Auch seien Zeugen vernachlässigt worden, die eine Frau auf dem Krad gesehen hätten.