Kairo.

In der arabischen Welt verliert die Verschleierung der Frau an Rückhalt. Ägypten, Syrien und Saudi Arabien verbannen die Schleier mehr und mehr aus der Öffentlichkeit.

Ausgelöst hat die Debatte vor einem Jahr der inzwischen verstorbene Großscheich Mohammed Said Tantawi, als er bei einem Schulbesuch in Kairo ein verschleiertes zwöljähriges Mädchen rüde abkanzelte und aufforderte, ihr Gesicht zu zeigen. Ihre Kopfbedeckung habe nichts mit dem Islam zu tun, schimpfte der Chefgelehrte und ließ dann Campus und Wohnheime der Universität Al-Azhar für voll verhüllte Studentinnen sperren. Zahlreiche Unis, Restaurants und Clubs schlossen sich dem Verbot an. Im Wintersemester will Erziehungsminister Hany Helal verschleierte Professorinnen aus allen Hörsälen verbannen.

Auch Syrien macht stärker Front gegen die Ausbreitung ultrastrenger islamischer Sitten. Mit einem Schlag wurden 1200 Lehrerinnen, die den Niqab tragen, aus dem Schuldienst entlassen und in Bürojobs versetzt. Junge Frauen mit Gesichtsschleier dürfen sich nicht mehr an Universitäten einschreiben.

„Ideologische Invasion“

Man wolle die Ausbreitung „extremer Ideen und Praktiken verhindern“, erklärte ein Sprecher des Erziehungsministeriums. Der Niqab sei der syrischen Kultur fremd und eine „ideologische Invasion“.

Selbst der saudische König Abdullah, auf dessen Territorium die strengen salafitischen Lehren ihre Wurzeln haben, zieht die Zügel an. Hunderten von Pädagogen wurden in den letzten fünf Jahren „wegen extremer Ansichten“ gekündigt, 2000 Imame wegen ihrer radikalen Predigten aus dem Moschee-Dienst entfernt.

Das harte Vorgehen gegen die Schleier ist mehr als ein frommer Konflikt um ein Stück Stoff. Denn die Befürworter des Vollschleiers berufen sich nicht primär auf den Koran, sie pochen vor allem auf ihre Religions- und Meinungsfreiheit. Für sie ist die Verhüllung der Frau eine demonstrative Rebellion gegen ein politisches System, das sie für korrupt, autokratisch und inkompetent halten.