Berlin. .

Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland hat sich dramatisch verschlechtert. Laut Statistik hat sich das Defizit im Vergleich zum ersten Halbjahr 2009 fast verdoppelt, auf 7,8 Milliarden Euro.

Die deutschen Städte und Gemeinden steuern auf eine Rekordverschuldung zu. Die Kommunen verbuchten im ersten Halbjahr 2010 ein Defizit von 7,8 Milliarden Euro - 3,6 Milliarden Euro mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Die Einnahmen der Kommunen, Stadtstaaten ausgenommen, stagnierten im ersten Halbjahr mit 76,8 Milliarden Euro auf dem Niveau des Vorjahres. Die Ausgaben stiegen dagegen um 4,3 Prozent auf 84,7 Milliarden Euro.

Handlungsunfähigkeit steht unmittelbar bevor

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, erwartet für die Städten und Gemeinden im laufenden Jahr trotz der positiven Konjunkturentwicklung das „höchste Defizit ihrer Geschichte“, einen Finanzierungssaldo von Minus 15 Milliarden Euro. „Auch für das Jahr 2011 ist Besserung nicht in Sicht“, sagte Landsberg. „Wir rechnen mit einem Defizit von 14,5 Milliarden Euro.“ Gleichzeitig „explodieren“ die Kassenkredite der Städte und Gemeinden: Sie werden nach Landsbergs Angaben 2014 die 80 Milliarden-Grenze erreichen, wenn nicht gegengesteuert wird.“

Die Kommunen stehen vor der Handlungsunfähigkeit und brauchen dringend die Hilfe von Bund und Ländern“, warnte der Städtebund-Geschäftsführer. Ohne ein Entlastungskonzept „drohen gravierende Folgen für das Leben der Menschen vor Ort.“ Die „dramatische Lage“ sei nicht nur Folge der Wirtschaftskrise. Vielmehr bürdeten Bund und Länder den Kommunen immer mehr Soziallasten auf. „So gaben die Kommunen 2002 für soziale Leistungen 28,2 Milliarden aus, in diesem Jahr werden es fast 42 Milliarden sein, Tendenz steigend“, sagte Landsberg.

Auch die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Petra Roth, kritisierte die zunehmende Belastung der Städte durch Ausgaben, die ihre Haushalte sprengten. „Deshalb brauchen wir durch die Gemeindefinanzkommission in diesem Herbst unbedingt eine spürbare und nachhaltige Entlastung“, sagte Roth. Aufgabe der Kommission ist es nach Angaben des Bundesfinanzministeriums, Lösungsvorschläge zu den Problemen des kommunalen Finanzsystems zu erarbeiten und zu bewerten.

Unterstützung vom Bund gefordert

Landsberg warnte, ein dauerhaftes Defizit führe nicht nur zu weniger Investitionen und einem weiteren Verfall der Infrastruktur. Wichtige Vorhaben wie bessere Kinderbetreuung und die Integrationsförderung könnten dann nicht im nötigen Umfang vorangetrieben werden.

Sowohl Landsberg als auch Roth forderten, eine höhere Beteiligung des Bundes an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose sowie an den Kosten der Grundsicherung im Alter und eine finanzielle Entlastung der Kommunen bei der Eingliederung behinderter Menschen. „Die Gewerbesteuer darf nicht abgeschafft, sondern muss gestärkt werden“, meinte Roth.

Über längere Sicht weise diese eine deutlich höhere Wachstumsdynamik auf als andere lohn- und ertragsabhängige Steuern, sagte die Städtetag-Präsidentin. Die Gewerbesteuereinnahmen würden aber 2010 wegen der Wirtschaftskrise und bedingt durch Änderungen im Steuerrecht voraussichtlich weiterhin rund 20 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2008 liegen. (dapd)