Berlin. .

Der Streit zwischen der EU und Frankreich wegen der Abschiebung von Roma stellt die Beziehung zu Deutschland auf die Probe. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte der deutschen Regierung unterstellt, auch Angehörige der Volksgruppe abschieben zu wollen.

Die Bundesregierung ist im Streit über Roma-Abschiebungen um Schadensbegrenzung bemüht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) stellten am Freitag klar, das Verhältnis zu Frankreich sei in keiner Weise getrübt. Gleichzeitig wiesen sie die Behauptung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zurück, Deutschland plane wie Frankreich die Räumung illegaler Roma-Lager. Die Grünen kritisierten die Reaktion als halbherzig und forderten ein klares Nein zur französischen Roma-Politik.

Frankreich hatte begonnen, illegale Roma-Lager zu räumen und damit Kritik der Europäischen Union auf sich gezogen. Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding hatte das französische Vorgehen in die Nähe des Zweiten Weltkriegs gerückt, worauf Paris empört reagierte. Reding hat sich inzwischen für ihre Äußerung entschuldigt, droht aber weiter mit rechtlichen Schritten gegen Frankreich. Der Streit überschattete am Donnerstag den EU-Gipfel in Brüssel. Sarkozy stellte dort seine Behauptung auf, Deutschland plane laut Merkel ebenfalls Lagerräumungen und Ausweisungen von Roma.

Roma-Lager kein Thema

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte dies umgehend dementiert. Am Freitag stellte er erneut klar, in den Gesprächen zwischen Merkel und Sarkozy habe die Rolle der Roma in Deutschland keine Rolle gespielt. Merkel habe weder im EU-Rat noch am Rande mit Sarkozy über vermeintliche Roma-Lager in Deutschland gesprochen. „Wir haben solche Lager gar nicht“, betonte Seibert: „Das war kein Thema.“

Auch Westerwelle betonte: „Es gibt derartige Überlegungen nicht.“ Es handele sich offensichtlich um ein „Missverständnis“. Der Minister sagte, die „sehr emotionale“ und „sehr engagierte“ Stellungnahme Sarkozys sei vermutlich auf Redings kritische Äußerung zurückzuführen. „Irgendwelche Vergleiche Frankreichs mit den Untaten des Zweiten Weltkrieges sind in keiner Weise akzeptabel“, sagte er. Merkel hatte die Wortwahl der EU-Kommissarin ebenfalls als „nicht angemessen“ gerügt.

Beziehung zu Frankreich unbelastet

Seibert stellte klar, diese Haltung sei nicht als Kritik an der Rolle der EU-Kommission zu verstehen. Auf dem EU-Gipfel hätten alle 27 Mitgliedsstaaten betont, dass die EU-Kommission das Recht und die Pflicht habe, zu überprüfen, ob das französische Vorgehen im Einklang mit nationalem und europäischem Gemeinschaftsrecht stehe. Dem sollte man nicht vorgreifen.

Die Bundesregierung bemühte sich, den Eindruck zu zerstreuen, die Kontroverse beeinträchtige das deutsch-französische Verhältnis. Der Fall dürfe nicht zur Belastung der bilateralen Beziehungen hochstilisiert werden, sagte Seibert. Der EU-Gipfel habe gezeigt, dass beide Länder eng zusammenarbeiteten. Die Beziehungen seien „zukunftsgerichtet, eng und sehr produktiv“. Auch Westerwelle betonte, das Verhältnis zum Nachbarland sei „absolut gesund“ und „absolut stabil“. Die deutsch-französische Freundschaft sei jenseits aller Meinungsunterschiede und Missverständnisse „tadellos“.

Grüne fordern Abschiebestopp

Die Grünen forderten dagegen, von diesem Harmoniekurs abzuweichen. Der EU-Parlamentsabgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne) verlangte von Merkel, sich in der Auseinandersetzung öffentlich hinter die EU-Kommission und damit gegen Sarkozy zu stellen. Die Kanzlerin müsse ihrem „engen Freund Sarkozy in der Sache deutlich machen“, dass Reding völlig Recht habe. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, auch wenn es in Deutschland kaum Roma-Lager gebe, „die man räumen könnte“, sei der Umgang mit dieser Minderheit „alles andere als ein Ruhmesblatt“. Nötig sei ein Abschiebestopp für Roma in den Kosovo „und keine Bundeskanzlerin, die ihrem Freund Sarkozy augenzwinkernd Zustimmung unerträglicher Menschenrechtsverletzungen signalisiert“.

Der Zentralrat der Sinti und Roma erklärte, in Deutschland existierten zwar keine Lager wie in Frankreich. Auch Massenabschiebungen gebe es nicht. Roma würden in Deutschland aber mitunter sehr wohl diskriminiert, etwa bei der Arbeits- und Wohnungssuche sowie in Schulen.