Washington. .
Kubas Revolutionsführer Fidel Castro zeigt sich selbstkritisch. In einem Interview äußerte er sich ungewohnt kritisch über das kommunistische System. Das kubanische Modell funktioniere, so Castro, „nicht einmal mehr bei uns“.
Kubas Revolutionsführer Fidel Castro hat sich ungewohnt kritisch über das kommunistische System auf der jahrzehntelang von ihm regierten Karibikinsel geäußert. Das kubanische Modell funktioniere „nicht einmal mehr bei uns“, sagte Castro einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem US-Magazin „The Atlantic“ zufolge. Der 84-jährige bedauerte zudem seine Haltung während der Atomraketenkrise von 1962.
Castro antwortete mit seiner unüblich kritischen Einschätzung zu der Lage in Kuba auf die Frage, ob er das kubanische Modell auf andere Länder übertragbar halte. Kubas Wirtschaft leidet seit 1962 unter einem US-Wirtschaftsembargo und hatte mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks die Sowjetunion als Unterstützer verloren. Derzeit hilft die linksgerichtete Regierung in Venezuela dem verarmten Inselstaat mit verbilligten Öllieferungen aus. Seit der Übergabe der Staatsführung von Fidel Castro an seinen jüngeren Bruder Raúl im Jahr 2006 hat Kuba zwar kleine Wirtschaftsreformen durchgeführt, hält aber im Grundsatz an dem kommunistischen System fest.
Haltung in der Raketenkrise 1962 überdacht
In dem über mehrere Tage geführten Interview mit dem US-Magazin äußerte sich Castro auch zu anderen Themen ungewohnt selbstkritisch und bedauerte seine Haltung während der Raketenkrise von 1962, durch die die Welt an den Rand eines Atomkrieges geraten war. Nach allem, was er erlebt habe und heute wisse, „war es das alles nicht wert“, sagte Castro demnach.
Im 22. Oktober 1962 hatte US-Präsident John F. Kennedy eine Luft- und Seeblockade gegen Kuba verhängt, nachdem die Sowjetunion Atomraketen auf der nur 150 Kilometer von der Küste Floridas liegenden Insel stationiert hatten. Es folgten Tage höchster Spannungen zwischen den beiden Weltmächten, die auch einen Atomkrieg möglich scheinen ließen. Am 28. Oktober entsprach der sowjetische Präsident Nikita Chruschtschow schließlich der US-Forderung, die Abschussrampen abzubauen und die Raketen aus Kuba abzuziehen.
Angst vor einem Atomkrieg
Castro verwies in dem Interview erneut darauf, dass er auch heute die Gefahr eines Atomkrieges sehe, wenn sich die Fronten im Streit um das iranische Atomprogramm verhärteten. „Menschen glauben, dass sie sich kontrollieren können, aber (US-Präsident Barack) Obama könnte überreagieren und aus schrittweiser Eskalation könnte ein Atomkrieg werden.“
Den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad kritisierte Castro dafür, den Holocaust an den Juden in Europa zu leugnen. Die iranische Führung müsse zudem die Angst Israels um sein Überleben anerkennen.
Buch mit seinen Lebenserinnerungen
Seit Castros Rückzug von der Staatsführung wegen einer Darmoperation hatte sich der 84-Jährige lange Zeit nicht in der Öffentlichkeit gezeigt, in den vergangenen Wochen mehrten sich jedoch seine Auftritte. Unter anderem stellte Castro ein knapp 900 Seiten starkes Buch mit seinen Lebenserinnerungen vor.
Dem „The Atlantic“-Bericht zufolge scheint Castro im Moment in guter Verfassung zu sein. Der Verfasser des Artikels, der Journalist Jeffrey Goldberg, schrieb, Castro habe zum Mittagessen sogar ein Glas Wein getrunken. Über einen gemeinsamen Besuch in einem Aquarium in Kubas Hauptstadt Havanna berichtete der Journalist, er habe „noch nie jemanden mit so viel Spaß an einer Delphin-Show gesehen wie Fidel Castro“. (afp)