Berlin. .

Das Internet, heißt es, vergisst nichts. Das könnte sich bald ändern. Ein sogenanntes Digitales Radiergummi soll’s nach dem Willen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) richten.

Was einmal im Internet steht, ist für immer öffentlich, warnen Datenschützer immer wieder. Auch, wenn es irreführend, schlicht gelogen, unvollständig ist oder Unschuldige denunziert, wie es jetzt in Bayern geschehen ist. Das soll sich allerdings künftig ändern, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will Netz-Nutzern die Möglichkeit geben, persönliche Daten zu löschen. Das sogenannte „Digitale Radiergummi“ soll Kontrolle ermöglichen. Experten halten die Idee allerdings aus technischen Gründen für unmöglich.

Was hat de Maizière denn genau vor?

Bereits im Juni hatte sich der Bundesinnenminister erstmals für ein Löschsystem ausgesprochen. Denn jede Äußerung, jeder Text, jedes Foto und jedes Video im Netz ist weltweit öffentlich. Dies macht es schwer, jemanden zu rehabilitieren, der unter Äußerungen gegen seine Person im Internet leidet. De Maizière: „Umso wichtiger wäre es, dem Internet in Zukunft in bestimmten Bereichen das Vergessen oder zumindest das ,Nichtwiederfinden’ beizubringen“, so der Innenminister.

Was ist denn da in Bayern passiert?

Eine ganze Familie flüchtet vor Morddrohungen aus der ganzen Welt. Hintergrund: Auf „youtube.de“ ist ein Video zu sehen, das ein junges, blondes Mädchen zeigt. Das Mädchen wirft an einem Fluss lebende, winselnde Hundewelpen ins reißende Wasser. Tausende Nutzer kommentieren das Video mit Hassausbrüchen und Morddrohungen. Einer der Nutzer gibt einen Namen, eine Adresse und eine Telefonnummer an; aus Bayern in der Nähe von München, angeblich die Daten der jungen Frau. Tatsächlich ist sie es aber gar nicht. Das Mädchen, dessen Adresse angegeben wurde, wird nun von Drohanrufen aus aller Welt belästigt, wie eine Sprecherin der Münchner Polizei der WR bestätigte: „Morddrohungen und Beleidigungen von Menschen, die sich als Tierschützer ausgeben.“ Die Familie ist jetzt abgetaucht, die Polizei hat „youtube“ dazu angehalten, das Video zu sperren.

Dann ist doch alles geregelt, oder?

Mitnichten, denn zum einen kümmert sich „youtube“ nicht um die Bitten der Polizei, das Video war gestern noch abrufbar. Ebenso wie der denunzierende Kommentar und der Klarname der Beschuldigten. Doch selbst wenn die US-Firma Youtube der Bitte der Münchner Polizei nachkommen würde, wäre der Familie aus Bayern nicht geholfen. Denn das Video und die Adressangaben finden sich inzwischen auf vielen weiteren Internetseiten. „Die Verbreitung geht so schnell, dass wir hinterherhinken“, so die Sprecherin der Münchner Polizei. „Wir wollten das Video sperren lassen, aber das Internet ist zu schnell.“


Das heißt also, dass die bayerische Familie die Daten auf jeder einzelnen Internetseite löschen müsste. Warum gibt es keine Lösung, die auf Knopfdruck alle Seiten erreicht?

Das wäre der „Digitale Radiergummi“ von Thomas de Maizière, doch der ist leider Science Fiction. Denn jede Internetseite wird von einer anderen Firma angeboten, womöglich noch aus einem anderen Land. Was in Deutschland verboten ist, ist auf einer Karibikinsel noch lange nicht untersagt. Warum sollte ein „youtube“-Konkurrent auch Daten löschen, die bei „youtube“ angemahnt werden? Wie sollte die Firma überhaupt davon erfahren? Oder alle Firmen im Netz?

Klingt aussichtslos. Ist es das wirklich?

„Einmal im Internet, immer im Internet“, sagt Harald Summa, Sprecher des deutschen Verbandes der Internetwirtschaft - „eco“. „Daten löschen zu lassen ist in bestimmten Ländern schwieriger als in Deutschland.“

Was will de Maizière denn jetzt machen?

Die Basis des „Radiergummis“ wurde an der Uni Saarbrücken entwickelt. Die Idee: Bevor Nutzer etwas im Netz veröffentlichen, verschlüsselt das System die Daten. Will jemand sie ansehen, muss er den passenden Code eingeben. Diesen Schlüssel wollen die Forscher künftig auf Internet-Rechnern vertrauenswürdiger Organisationen ablegen. Läuft die Frist ab, zieht das System die privaten Inhalte automatisch aus dem Verkehr.