Berlin. Die Debatte um die Stasi-Vergangenheit von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst geht in die nächste Runde. Während SPD und die Gewerkschaft der Polizei einen Schlusssstrich ziehen möchten, forderte CDUler Wolfgang Bosbach eine Neuüberprüfung.

SPD und CDU sind sich uneins über den Umgang mit ehemaligen Mitarbeitern des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, lehnte eine neue Regelüberprüfung ab. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) betonte, ein Medienbericht über angeblich rund 17 000 ehemalige Stasi-Mitarbeiter in ostdeutschen Landesverwaltungen sei im Kern nicht neu. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach sich für einen Schlussstrich unter die Debatte aus. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach forderte hingegen eine neue Überprüfung der Mitarbeiter in gehobenen Funktionen des öffentlichen Dienstes.

Wiefelspütz will kein "Lebenslänglich"

Wiefelspütz sah keine Veranlassung zu einer neuen Überprüfung im öffentlichen Dienst oder zu einer Neubewertung. Er gehe davon aus, dass Beamte und Mitarbeiter sorgfältig überprüft worden seien. Zudem seien inzwischen viele Jahre vergangen. «Es kann kein Lebenslänglich geben», betonte der SPD-Politiker.

Auch Wowereit verwies darauf, dass der Mauerfall bereits 20 Jahre zurückliegt. Seitdem seien Zehntausende Mitarbeiter überprüft worden. Ex-Angestellte der Stasi gebe es zudem auch im öffentlichen Dienst in Westdeutschland. Zu den Mitarbeiterzahlen, die die «Financial Times Deutschland» am Donnerstag genannt hatte, sagte Wowereit, er wisse nicht, wo diese herstammten. Er könne die Zahl für Berlin aber nicht dementieren.

Freiberg für ein Ende der Debatte

Die Mauer des ehemaligen Untersuchungsgefängnisses der Stasi in Berlin-Hohenschönhausen. Foto: ddp
Die Mauer des ehemaligen Untersuchungsgefängnisses der Stasi in Berlin-Hohenschönhausen. Foto: ddp © ddp | ddp





Der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg plädiert dafür, in gewissem Maße einen Schlussstrich unter das Thema zu ziehen. Es könnten nur Menschen aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden, die bei der Anstellung über ihre Vergangenheit gelogen hätten. Zudem sollten nicht alle Ex-Mitarbeiter der Stasi über einen Kamm geschoren werden. Wenn ehemalige Bürokräfte oder Fahrer heute ihre Arbeit gut erledigten, könne ihnen kein Vorwurf mehr gemacht werden, sagte Freiberg.

Bosbach sieht hingegen weitergehenden Aufklärungsbedarf. «Es muss vor allem geklärt werden, ob die Angaben der Bewerber bei der Übernahme in den öffentlichen Dienst wahrheitsgemäß und vollständig gewesen sind. Denn damals war nur ein geringer Teil der Stasi-Akten ausgewertet», sagte der Unions-Fraktionsvize.

Stasi als SED-Sündenbock

Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und heutige Europa-Abgeordnete der Grünen, Werner Schulz, warnte davor, sich bei der Diskussion um ehemalige Stasi-Mitarbeiter allein auf die Stasi zu konzentrieren. «Es war der letzte Coup der SED, dass sie die Stasi als Schild vor sich gehalten hat. Die Stasi bekam die Dresche ab, die Partei blieb ungeschoren», sagte Schulz. Die SED habe die Kräfte gestellt, «die das System gestützt haben - bis zuletzt. Die interessantere Frage ist doch, wo finden sich heute noch Nomenklatur-Kader?»

Die «Financial Times Deutschland» hatte berichtet, dass von den ehemaligen Stasi-Mitarbeitern 4400 in Sachsen-Anhalt tätig sind, 4101 in Sachsen, 2942 in Brandenburg, 2247 in Mecklenburg-Vorpommern, 2733 in der Berliner Verwaltung und 800 in Thüringen. Experten und ehemalige DDR-Bürgerrechtler forderten Konsequenzen. (ddp)