Essen. Die Innenminister der Länder diskutieren über den flächendeckenden Einsatz jugendlicher Testkäufer für Alkohol. Politiker und Jugendschützer sind zerstritten: Während die einen moralische Bedenken haben, sehen die anderen in den Testkäufen die einzige Chance, schwarze Schafe zu überführen.

Der Deutsche Kinderschutzbund lehnt den Einsatz junger Testkäufer im Kampf gegen illegalen Alkoholhandel strikt ab. Die Händler würden zu Straftaten provoziert. Dies passe „nicht in unsere Rechtsordnung und außerdem auch nicht in Erziehungsziele“, sagte Präsident Heinz Hilgers dem ZDF. Jugendliche sollten nicht „zur Hinterhältigkeit“ erzogen werden. Auch auf der Innenministerkonferenz in Bremerhaven wurde am Donnerstag über das Vorhaben diskutiert.

Einwände seien angesichts der drängenden Problemlage jedoch nicht angebracht, meint Jan Lieven, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz in NRW. Testkäufe seien unbedingt notwendig, um schwarze Schafe zu überführen. „Für einen 16-Jährigen ist der Einsatz als Testkäufer durchaus zumutbar“, sagt Lieven. Allerdings sollten die minderjährigen Lockvögel gut vorbereitet und von einem Erwachsenen begleitet werden.

"An Alkohol kommen Minderjährige immer"

Auch Lisa Fischer kann die Bedenken nicht verstehen. Sie war selbst als Lockvogel unterwegs. Mit zwei Klassenkameradinnen testete die 15-Jährige für ein Schulprojekt sechs Discounter und eine Tankstelle im sauerländischen Sundern. Das Ergebnis: In drei von sieben Fällen konnten die Schülerinnen problemlos Schnaps und Bier kaufen. „Natürlich waren wir ein bisschen aufgeregt. Aber wir haben das ja für einen gute Sache gemacht“, sagt Lisa. „Uns war überhaupt nicht bewusst, dass wir jemanden zu einer Straftat anstiften könnten.“ Die meisten Jugendlichen hätten ohnehin schon Alkohol gekauft. Auch privat haben die Mädchen längst die Erfahrung gemacht: An Alkohol kommen Minderjährige immer, sie müssen nur die richtigen Geschäfte kennen.

Von der positiven Wirkung ihrer Testkäufe ist die Schülerin jedoch überzeugt. Den Ertappten sei die Situation ziemlich unangenehm gewesen. „Die fragen jetzt vielleicht immer zuerst nach dem Ausweis“, sagt Lisa. Ihr Fazit: Minderjährige Testkäufer sind ein gutes Mittel, um nachlässigen Verkäufern einen Denkzettel zu verpassen. „Es sollte aber unbedingt eine Begleitperson dabei sein, damit sich die Jugendlichen den Alkohol nicht einstecken.“

"Testkäufer sind wie Schauspieler"

Auch die Landesschülervertretung NRW befürwortet den Plan. „Ich sehe keine andere Möglichkeit, um den nötigen Druck auf die Unternehmen aufzubauen“, sagt Schülervertreterin Dilan Aytac. Die moralischen Einwände des Kinderschutzbundes seien für sie nicht nachvollziehbar. „Man könnte die Testkäufer auch mit Schauspielern vergleichen“, sagt sie.

Unter den Innenministern der Länder gibt es derweil ebenfalls Differenzen über den Einsatz jugendlicher Testkäufer. NRW und Baden-Württemberg meldeten am Donnerstag Bedenken gegen das Vorhaben an, das auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz in Bremerhaven stand. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) und sein baden-württembergischer Amtskollege Heribert Rech (CDU) gaben in der Vorkonferenz zur Innenministerkonferenz zu Protokoll, dass sie eine „fachliche und rechtliche Prüfung“ von flächendeckenden Alkohol-Testkäufen für nötig halten, berichtet die Tageszeitung „Die Welt“. Wegen der Bedenken sei von der Konferenz nur eine Empfehlung zu erwarten, dass die Länder Alkohol-Testkäufe prüfen sollten, hieß es in dem Bericht. Flächendeckende Testkäufe gibt es bislang nur in Niedersachsen.

Die Mehrheit der Deutschen steht jedoch auf der Seite der Kritiker, wie eine Umfrage des Fernsehsenders n-tv im vergangenen Herbst zeigte. 55 Prozent der mehr als 1000 Befragten lehnen es ab, Jugendliche als verdeckte Testkäufer für Alkohol einzusetzen. Rund 40 Prozent halten den Plan für richtig. Mit zunehmendem Alter steigt die Ablehnung. (Mit Material von ap und afp)