Essen.

In der Frage „Ist der Islam integrierbar?“ liegen Experten und Bürger vielfach auseinander. Das zeigte die Debatte zu diesem Thema unter Leitung von WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz: Für die eine Seite liegt das Problem in der Religion begründet, für die andere hat es vornehmlich soziale Ursachen.

Wie stark die muslimische Zuwanderung und die Integration von Skepsis, Vorurteilen, gar Ängsten befrachtet ist, zeigen Äußerungen wie: „Bei uns sind Sprüche wie ,Deutschland gehört bald uns, bald seid ihr hier die Ausländer’, an der Tagesordnung”. Dies schreibt kein Mitläufer rechtsextremistischer Horden, kein ideologisch verbohrter Fanatiker , sondern eine Frau aus bürgerlichem Duisburger Milieu. Diese Äußerung gehörte zu einem Beitrag der Diskussionsrunde, die sich mit einer heiß debattierten Frage befasste: „Ist der Islam integrierbar?” hieß das Reitz-Thema im Pact Zollverein, Essen.

Gewalt ist keine Frage der Religion

In bester Absicht und in der Analyse vereint, aber verschieden in der Wahrnehmung des Zusammenlebens draußen in den Städten stellten sich den Fragen von WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz: Gülsen Celebi, die Kämpferin; Armin Laschet, der Pragmatiker: Prof. Klaus Bade, der Forscher und Sören Link, der Mann vor Ort. Und mehr und mehr fokussierte sich die Expertenrunde auf den Punkt: Sind die teils massiv zu erlebenden Integrationshemmnisse religiös-kulturell begründet oder handelt es sich vielmehr um ein soziales, um ein (Unter-) Schichtenproblem?

Gülsen Celebi, ist kurdischstämmig, Rechtsanwältin, Buchautorin und eine mutige Frau. Sie betreut Frauen, die Opfer von Zwangsheirat und häuslicher Gewalt geworden sind. Celebi kennt die physische und psychische Pein von geschlagenen Frauen, doch will sie der verbreiteten Ansicht entgegentreten, diese Art von Brutalität sei besonders in muslimischen Kreisen ausgeprägt. „Das ist keine Frage des Islams”, sagt sie, und nennt es ein grundsätzliches Übel von patriarchalisch geführten Gesellschaften in aller Welt. Im Publikum aber sieht mancher es anders: „Die Zukunft wird uns zeigen, dass der Islam, diese archaische Religion, nicht zu der christlich-abendländischen Kultur passt und sie sich auf Dauer zu einer Parallelgesellschaft entwickeln wird mit brisanten Folgen für Europa”, wendet ein Duisburger Zuschauer ein.

Ärger über die „dauernde Skandalisierung“ der Migranten

Prof. Bade, Deutschlands führender Migrations- und Integrationsforscher, ist jedoch die „dauernde Skandalisierung” bei Fehlverhalten von Migranten leid. Man dürfe Muslime nicht ständig mit dem Blick durch die „Schreckbrille” sehen. Und überhaupt warnt er vor Pauschalierung: „Der Islam ist keine feste Größe, er hat eine ungeheure Vielfalt und Spannweite zwischen Konservativismus und Liberalität.” Bade mahnt, „den einzelnenen Muslim in seiner Freiheit zu sehen und nehmen.” Gerade einmal ein Viertel aller bei uns lebenden Menschen islamischen Glaubens würden von den Verbänden vertreten und es gebe die vielen, vielen Muslime, für die „die Moschee genauso fern ist wie für viele Christen die eigene Kirche.”

Armin Laschet ist Integrationsminister in Jürgen Rüttgers NRW-Kabinett und der erste Integrationsminister, den es gab in der Republik. Auch für ihn lässt sich die Frage, ob der Islam eine Chance hat, sich zu einem liberal und tolerant geprägten „Euro-Islam” zu entwickeln, auf einfache Nenner bringen: „Der Islam muss sich an unsere Verfassung halten.” Für den CDU-Politiker ist „Bildung, Bildung, Bildung” der entscheidende Schlüssel, um Migranten zu sozialem und beruflichen Aufstieg zu bringen – „und das ist die Grundlage jeder erfolgreichen Integration”, sagt der Minister und er vermag in den offenkundigen Mängeln bei der Integration keinen ethnischen oder religiösen Hintergrund zu erkennen, führt sie auf soziale Gründe zurück. Aber auch hier der Einwand eines Bürgers: „Es ist doch jedem der Beteiligten klar, dass der Islam bei uns nicht integrierbar ist.”

Genervt von der „Opfermentalität“

Solche Skepsis ist wie ein Stichwort für den sozialdemokratischen Duisburger Landtagspolitiker Sören Link. Beifall ist ihm sicher, als er sagt: „Integration darf nicht nur die Bringschuld der aufnehmenden Staaten sein.” Die „Opfermentalität von Migranten nach dem Motto ,alle sind böse’, kann ich nicht länger hören”, bricht es aus Link heraus. Link prangert zwar die Fehler aller Parteien in der zurückliegenden Integrationspolitik an, weist jedoch auf klare Verantwortlichkeiten von Zuwanderern hin: „Es kann doch nicht sein, dass bei manchem, der schon 30 Jahre hier lebt, noch immer ein Sprachniveau herrscht wie bei einem Touristen, der gerade am Bahnhof angekommen ist.”

Der Zuspruch für Sören Links Debattenbeiträge macht vor allem dies offenkundig: Es gibt eine nicht zu unterschätzende Kluft zwischen dem, wie Politiker und Wissenschaftler den bisherigen Stand der Integration sehen und wie ihn andererseits nicht geringe Teile der Bürger empfinden. Das Reitz-Thema legt die Kluft offen – sie zu überwinden wird noch einiges an Anstrengungen kosten und dauern.

In NRW-TV gibt es den Mitschnitt des Reitz-Themas am Mittwoch, 28. 4 um 22 Uhr zu sehen