Berlin. .

Während die CDU sich auf die frischgebackene erste Ministerin mit Migrationshintergrund stürzte, hat sich die SPD in Berlin getroffen - um über Migrationspolitik zu debattieren. Konkrete Ergebnisse gab es wenig, viel häufiger zu hören waren Durchhalteparolen.

Aygül Özkan und damit die Tatsache, dass die Christ- und nicht die Sozialdemokraten die bundesweit erste Ministerin mit Migrationshintergrund berufen haben, machte die SPD am Montag zur Nebensache. Beim „Treffpunkt Integration“ suchte die Partei vor allem nach ihrer eigenen Ausrichtung für die nächsten Jahre. Ob nach einer neuen – darüber wirkte sie uneins.

SPD verliert unter den Migranten an Zustimmung

„Die SPD entdeckt die Integrationspolitik nicht neu“, versicherte der Regierende Bürgermeister von Berlin und stellvertretende Parteivorsitzende Klaus Wowereit. Nein, sie befinde sich vielmehr in Kontinuität. Minuten später widersprach ihm Parteifreund Kenan Kolat, zugleich Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland: „Die SPD hat sich in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit von dem Thema zurückgezogen“, behauptete er.

Ausländerwahlrecht, doppelte Staatsangehörigkeit – tatsächlich waren es vor allem diese lange bestehenden Forderungen, die die SPD in der Vergangenheit wiederholte. Und dass ihre Vorherrschaft bei Wählern mit Migrationshintergrund – oder „Migrationsvordergrund“, wie Kolat bevorzugt sagt – bröckelte, lässt sich in Zahlen ausdrücken: Noch etwas mehr als die Hälfte von ihnen stimmte bei der Bundestagswahl 2009 für die SPD. Einst erreichte die Partei Werte von 70 Prozent.

Sarrazins Entgleisungen werfen die Partei zurück

Einen Grund für diesen Verlust machten zwei Vertreterinnen der „Deukischen Generation“ mit einem bloßen Namen deutlich, den Wowereit mit der Rede von „Provokationen“ lediglich gestreift hatte: Thilo Sarrazin. Die teils nicht zitierfähigen Bemerkungen des SPD-Mannes, etwa über „Kopftuchmädchen“, könne man nicht als Provokation abtun, meinten die Jugendlichen. „Die waren nach allen Kriterien rassistisch“, befand auch der freie Journalist und Migrationsforscher Mark Terkessidis, der in einer kleinen Gesprächsrunde von Wissenschaftlern der Mann für die klarsten und konstruktivsten Beiträge war.

„Die Sprachstandsfeststellung im Alter von vier Jahren folgt einer Defizitorientierung, die wir eigentlich loswerden wollen“, kritisierte Terkessidis. „Warum machen wir nicht auch einen Test in der Muttersprache, um zu gucken: Was kann er oder sie?“ Um Sprachförderung schon im Kindergarten gewährleisten zu können, müsse erst die Einrichtung – und dabei zu vorderst die Ausbildung des Kindergärtners – reformiert werden. Der Journalist mit griechischen Wurzeln sprach sich zudem für Migrantenquoten in allen wichtigen Institutionen aus – ausdrücklich auch den Parteien. Immerhin: Wowereit, für dessen SPD diese Diskussion nicht neu ist, nickte bei diesen Worten.

Debatte um Aygül Özkan nur Nebenschauplatz

Als er in einer Pause doch noch auf Aygül Özkan angesprochen wurde, unterstellte er den Christdemokraten abseits der großen Lautsprecher Symbolpolitik. „Die CDU bekennt sich ja gar nicht zu ihren Inhalten“, spielte Wowereit auf die noch frische Kruzifix-Debatte an. Özkan hatte in einem Interview mit dem Magazin Focus die Meinung vertreten, christliche Symbole gehörten nicht an staatliche Schulen. Davon hatte sich der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff prompt distanziert.

Anschließend blickte die SPD aber schon wieder auf sich. Der erste „Treffpunkt Integration“ soll nur der Auftakt zu einer Gesprächsreihe mit Experten und Bürgern gewesen sein. „In zwei Jahren soll sie zu einer Positionierung führen“, verriet Wowereit. Ob auch zu einer Neupositionierung, wird sich spätestens dann zeigen.