Warschau.

Wo soll der verstorbene Präsident Lech Kaczynski die letzte Ruhe finden? In Polen wird darüber heftig debattiert. Zudem kämpfen die politischen und wirtschaftlichen Eliten um die Macht.

In Polen ist ein bizarrer Streit entbrannt. Noch während sich die Schlange der Trauernden in Warschau vor dem Sarg im Präsidentenpalast kilometerweit durch die Altstadt zieht, wird darüber gestritten, wo der verstorbene Präsident Lech Kaczynski die letzte Ruhe finden soll.

Geplant ist, ihn und seine Frau Maria am Sonntag in der Wawel-Kathedrale in Krakau beizusetzen. Erzbischof Dziwisz, Metropolit von Krakau, verkündete: Der Präsident sei „auf heldenhafte Weise ums Leben gekommen“, als beim Anflug auf den Flughafen von Smolensk die Regierungsmaschine abstürzte.

Vor allem in den liberalen Kreisen Polens regt sich Widerstand. Die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ warnt, dass die Nation gespalten werde. „Der Wawel ist der gemeinsame Ort aller Polen und kein gewöhnlicher Friedhof, über dessen Auswahl die Familienangehörigen entscheiden können.“ Gefordert wird eine „nationale Diskussion“.

Am Mittwoch versammelten sich mehr als 500 Personen vor dem Amtssitz der Krakauer Kurie und skandierten: „Nicht auf dem Wawel!“ Selbst in Kirchenkreisen regt sich harsche Kritik. Bischof Pieronek kommentierte die Entscheidung kurz: „In der Kathedrale ruhen Könige, aber keine Präsidenten.“

Kritik am Bankchef

Geht es in dem Streit um die letzte Ruhestätte Lech Kaczynskis vor allem um Symbolik, wird unter den politischen und wirtschaftlichen Eliten Polens um die Macht gekämpft. In der abgestürzten Maschine saß auch Slawomir Skrzypek, Chef der Nationalbank, dessen Posten nun vorerst sein Stellvertreter Piotr Wiesiolek übernommen hat. Dessen Kompetenz und Führungsqualität wurde aber sofort von Fachleuten angezweifelt. Vermutet wird, dass er bald von einem Vertrauten von Premier Donald Tusk ersetzt werden wird.

Spekulationen gibt es auch um die Zukunft der national-konservativen Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die 2001 von Lech Kaczynski und seinem Bruder Jaroslaw gegründet wurde.

Es wird bereits gemutmaßt, dass sich Jaroslaw Kaczynski vom Schock des Todes seines Bruders nicht erholen werde. Der Parteivorsitzende war bereits in den vergangenen Monaten in den eigenen Reihen in die Kritik geraten, da er kein Mittel fand, der regierenden Bürgerplattform Paroli zu bieten. Bisher konnte Jaroslaw Kaczynski seine innerparteilichen Rivalen auf seine selbstherrliche Art mundtot machen oder sie aus der Partei drängen. Einer seiner größten Trümpfe dabei war der Bruder im Präsidentenamt.

Da neben Lech Kaczynski auch andere führende PiS-Politiker ums Leben kamen, prophezeien Kommentatoren schon das Ende der einstigen Regierungspartei.