Berlin.

Die Bilanz 100 Tage Kristina Schröder als Familienministerin fällt eher enüchternd aus. Bislang hinterließ die 32-Jährige eher einen blassen Eindruck. Bei der Kanzlerin genießt sie Welpenschutz. Und noch allzu oft regiert die Über-Vorgängerin in ihr Ressort hinein.

Sie ist Hessin, twittert, sympathisiert mit den Grünen und hat einen der undankbarsten Jobs in Angela Merkels Kabinett übernommen. Vor 100 Tagen hat Kristina Schröder das Erbe von Ursula von der Leyen (alle CDU) als Familienministerin angetreten.

Bislang hat das 32-jährige Kabinetts-Küken einen blassen, unsicheren Eindruck hinterlassen. Teile der CSU befürchten, dass Familienpolitik unter der kinderlosen Berufspolitikerin zum „Gedöns“ verkommen könnte. Zudem kritisieren sie, dass ihr die nötige Leidenschaft fehle. Die FDP würde gerne wissen, was Schröder überhaupt plant.

„I love Birne“-Aufkleber

Noch genießt die Ministerin, die mit 14 für Helmut Kohl schwärmte und „I love Birne“-Aufkleber auf ihren Schulranzen pappte, bei Merkel Welpenschutz. Vergangenen Donnerstag machte die Kanzlerin – eigentlich keine Verfechterin großer Gesten – ihrem Spitznamen „Mutti“ Ehre. Wie ein Animateur forderte sie klatschend die Abgeordneten im Bundestag zum Applaus auf. Schröder rackerte sich gerade an ihrer ersten Gleichstellungs-Rede mit Blick auf den Weltfrauentag, der am gestrigen Montag war, ab. Die Union klatschte und giftete im Hintergrund. „Wir waren entsetzt, wieder hat Schröder eine Chance vertan“, verlauteten CSU-Kreise, nachdem die Ministerin sichtlich verunsichert zwar eine stärkere Position für Frauen, aber Quoten abgelehnt hatte.

„Ich hätte mir noch die ein oder andere provokante Forderung gewünscht“, sagte die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Ingrid Fischbach (CDU) zur „anständigen“ Rede der Ministerin, die bis dato in erster Linie durch ihre Hochzeit mit Innenstaatssekretär Ole Schröder aufgefallen war.

Wie die Jungfrau zum Kinde kam Schröder ins Amt. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) war über das Bombardement in Kundus gestolpert, Merkel brauchte des Proporzes wegen jemanden aus Hessen. Voilà, Extremismusexpertin Schröder durfte in die Fußstapfen von Ursula von der Leyen treten.

Die Pflegezeit als erster Profilierungsversuch

Vergnügungssteuerpflichtig war dies nicht, nachdem die siebenfache Mutter das Familienbild der Union binnen vier Jahren umgekrempelt und praktisch alle großen Profilierungsthemen abgeräumt hatte. Obendrein zog von der Leyen ihre wichtigsten Abteilungsleiter und den beamteten Staatssekretär ab und stellte klar, dass sie sich weiter um Familienpolitik kümmern will.

Schröder konterte, indem sie nach dem Verfassungsgerichtsurteil zu den Hartz-IV-Regelsätzen klarstellte, dass moderne Familienpolitik weit mehr als Sozialpolitik sei. Dennoch: „Sie lässt Ursula von der Leyen widerstandslos in ihr Ministerium hineinregieren“, findet SPD-Familienexpertin Caren Marks.

Schröder büffelte zunächst im Ministerium und kam bei ihrer Amtsantrittsrede sechs Wochen später zu der These, dass es in ihrem Haus immer noch große Themen gibt. Den Beweis dafür blieb sie zunächst schuldig: So wollte sie das Elterngeld ausweiten, den Extremismus bekämpfen und alle familienpolitischen Leistungen auf den Prüfstand stellen. Neu war das nicht. Nun hat Schröder ihr erstes Profilierungsthema gesetzt. Sie will für Berufstätige zwei Jahre Pflegezeit durchsetzen und hat dafür kräftig Prügel bezogen. „Schröders unausgegorener Pflegevorstoß ist der Versuch, die bisherige Untätigkeit zu kaschieren“, sagt Marks.

„Schnellschuss im Alleingang“

Von einem „Schnellschuss im Alleingang“, redet Nicole Bracht-Bendt, frauenpolitische Sprecherin der FDP. Schröder auf das Verlierergleis zu schieben, wäre sicherlich verfrüht. Sie gilt als fleißige und ehrgeizige Politikerin, die kämpfen kann. Bei der Bundestagswahl hat das CDU-Urgewächs Ex-Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) das Direktmandat abgeknöpft und im BND-Untersuchungsausschuss politische Schwergewichte wie Otto Schily gekonnt gequält. „Ministerin Schröder hat in der kurzen Zeit das gebracht, was man von ihr erwarten kann“, sagt Bracht-Bendt. Nun müsse sie rasch konkrete Projekte anstoßen. Doch selbst wenn der große Schröder-Vorstoß kommt, bleibt der Zankapfel Betreuungsgeld, das 2013 eingeführt wird. Hier sind Schröder Koalitionskrach und öffentliche Aufmerksamkeit garantiert.