Berlin/Washington.

Der Besuch des Dalai Lama in Washington stürzt die Beziehungen der USA zu China in eine neue diplomatische Krise. US-Präsident Barack Obama hat das geistige Oberhaupt Tibets am Donnerstag im Weißen Haus empfangen.

Barack Obama empfing den Besucher im Kartenraum des Weißen Hauses, nicht im Oval Office, wo der amerikanische Präsident sonst Staatsgästen die Ehre zu geben pflegt. Es war nicht das erste Mal, dass der Dalai Lama das Weiße Haus betrat. Aber diesmal ist die Empörung bei den Machthabern in Peking besonders groß – und keineswegs nur, weil sie das geistige Oberhaupt der Tibeter für einen gefährlichen Unruhestifter halten, der das besetzte Tibet dem Reich der Mitte entreißen und in die Unabhängigkeit führen will.

Der Ärger in Peking über den Empfang des Religionsführers markiert den tiefen Klimasturz in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen. Noch im letzten Jahr hatte Obama diese Demonstration vermieden, obgleich der Dalai Lama in Washington weilte. Damit kam er chinesischen Empfindlichkeiten entgegen; die demonstrative Kontaktsperre lag aber für den neuen US-Präsidenten in der Logik einer Politik der ausgestreckten Hand gegenüber der globalen Leitmacht China. Die strategischen Partner bleiben indes auf lange Sicht eher ebenbürtige Rivalen.

Machtspielchen in Peking

Zwar machte bereits die Schreckensvision eines „Chimerika“ die Runde, die Herrschaft einer Doppel-Supermacht über die Staatenwelt. Aber bei seiner Antrittsvisite in China bekam Obama die Selbstgewissheit der Weltmacht im Wartestand zu spüren: Die Gastgeber verbaten sich nicht nur seine Belehrungen in Sachen Informations- und Meinungsfreiheit. Hinter verschlossenen Türen bekräftigten die Chinesen auch ihre Forderung, den US-Dollar durch ein neues Weltwährungssystem zu ersetzen.

Düpiert musste sich Obama fühlen, als ihn Chinas Staatschef Hu Jintao bei der Klimaschutz- Konferenz in Kopenhagen auflaufen und keinerlei Bereitschaft zu einem Kompromiss erkennen ließ. Für einen Ausdruck überbordender Hybris halten die Amerikaner auch die Weigerung der chinesischen Führung, im zermürbenden Atomstreit mit den bizarren Regimes in Nordkorea und Iran hilfreich zu sein, um die weitere Verbreitung von Massenvernichtungswaffen notfalls mit harten Sanktionen aufzuhalten.

US-Attacken gegen China

Inzwischen hat der enttäuschte Obama den Hebel herum gelegt: Zunächst verhängten die USA Strafzölle über importierte chinesische Billigreifen. Dann stellte sich der Präsident hinter die Google-Proteste gegen chinesische Internet-Zensoren. Schließlich billigte die US-Regierung den noch unter Präsident Bush eingefädelten, aber bewusst nicht vollzogenen Deal mit Taiwan über die Lieferung von Defensivwaffen im Wert von 6,4 Milliarden Dollar. Daraufhin verlangten aufgebrachte chinesische Generäle, die USA, mit 800 Millionen Dollar Schulden größter Gläubiger Chinas, zu bestrafen: Peking möge US-Staatsanleihen veräußern, um die Märkte in Turbulenzen zu stürzen…

Nun, dazu wird es nicht kommen. Doch das gerade begonnene „Jahr des Tigers“ verheißt laut Überlieferung „starke Auftritte“, aber auch „Unruhe und ungewollte Launen der Geschichte“. Chinas Premierminister hat seine Landsleute deshalb aufgerufen, „einen klaren Kopf zu behalten“.