Berlin. .
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) muss beim Arbeitslosengeld II nachbessern. So will es das Verfassungsgericht. Jetzt droht eine Gerechtigkeitslücke, sagen Experten.
Seit Hartz IV vor fünf Jahren eingeführt wurde, gilt das Arbeitslosengeld II vielen Bundesbürgern als Inbegriff der sozialen Ungerechtigkeit. Nun hat diese Debatte auch die Berliner Regierungskoalition erreicht. Union und FDP diskutieren darüber, ob man den Regelsatz von heute 359 Euro erhöhen sollte, oder ob dies schädliche Wirkungen mit sich brächte.
„Ich warne davor, die Hartz-IV-Sätze entsprechend der Inflation anzuheben“, sagte CSU-Sozialexperte Max Straubinger. Dies hätte zwei Nachteile, meinte der Politiker. Zum einen könnte sich durch das höhere Arbeitslosengeld der Anreiz für Arbeitslose verringern, eine neue bezahlte Stelle zu suchen. Zweitens dürfe man die Arbeitslosen nicht gegenüber Rentnern bevorteilen, deren Altersbezüge nicht regelmäßig stiegen. CDU-Sozialpolitiker Johann Wadephul sagte dagegen: „Ich würde höhere Regelsätze nicht ablehnen“. Die jährliche Preissteigerung sei durchaus ein Element, das die Lebenshaltungskosten von Erwerbslosen beeinflusse.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) lässt eine neue Berechnungsmethode für das Arbeitslosengeld II entwickeln – auf Druck des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter verpflichteten die Ministerin im Februar dazu. Sie hatten geurteilt, dass der Hartz-IV-Satz bisher „nicht sachgerecht“ festgelegt worden sei.
Noch keine belastbaren Zahlen
Nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes müssten erwachsene Hartz-IV-Empfänger einen Regelsatz von rund 420 Euro im Monat erhalten, um ihre Lebenshaltungskosten bestreiten zu können. Zu einem ähnlichen Ergebnis kämen Vergleichsrechnungen des Bundesarbeitsministeriums, berichtet der „Spiegel“. Ein Sprecher von der Leyens dementierte allerdings am Montag, dass bereits belastbare Zahlen vorlägen. Die genaue Berechnungsmethode werde man erst „im Herbst“ ausarbeiten. Bis zum 31. Dezember diesen Jahres müsse das Gesetz fertig sein.
Die Frage ist nun, wie die neue Berechnung aussehen soll. Bislang basierte die Definition des Regelsatzes auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. Weil diese nur alle paar Jahre aktualisiert wird, ziehen die Experten zwischendurch die Entwicklung der Altersrenten als Maßstab heran. Unter anderem die Orientierung an den Renten hatte das Verfassungsgericht aber als „sachwidrig“ kritisiert.
Nachhaltigkeitsfaktor schmälert Rentenentwicklung
Ein Grund: In der Rentenberechnung ist auch der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor enthalten. Er schmälert die Rentenerhöhung, wenn die Zahl der Beschäftigten sinkt. Dieser Nachhaltigkeitsfaktor habe mit den Lebenshaltungskosten von Erwerbslosen nichts zu tun, erklärten die Verfassungsrichter.
Sie empfahlen stattdessen, die Regelsätze stärker an den Lebenshaltungskosten – also auch an die Preissteigerungen für Konsumgüter – zu binden. Je nachdem, wie die Bundesregierung diese Vorgabe umsetzt, könnte dies dazu führen, dass das Arbeitslosengeld II künftig stärker zunimmt als die Alterssicherung. In diesem Jahr beispielsweise stagnieren die Rentenzahlungen. Und auch in den kommenden Jahren wächst die Rente möglicherweise nur wenig, weil mehrere dämpfende Faktoren in der Rentenformel die Erhöhung begrenzen.
Bindung beibehalten
Um diesen neuen, für die Regierung problematischen Gerechtigkeitskonflikt zu befrieden, sagt CSU-Sozialpolitiker Straubinger: „Ich plädiere dafür, die Anknüpfung an die Renten beizuhalten. Um dem Urteil des Verfassungsgerichts Rechnung zu tragen, könnte man aber den Nachhaltigkeitsfaktor aus der Berechnung herausnehmen.“ Dann würde Hartz IV eventuell etwas schneller zunehmen als die Rente, aber nicht so stark wie bei der kompletten Abschaffung der Bindung.