Berlin. Ohne Angst vor Gefühlen wandte sich Horst Köhler gleich nach der Wahl an seine Frau Eva: "Jede Stunde ist ein Geschenk mit dir." Das Ergebnis selbst übrigens ist denkbar knapp. Das Beste will der neue alte Bundespräsident natürlich trotzdem geben.

Zum zweiten Mal nimmt Horst Köhler seine Wahl zum Bundespräsidenten mit einer Liebeserklärung an. Vor fünf Jahren sagte er vor der Bundesversammlung: „Ich liebe unser Land.” Und heute wendet er sich an seine Frau: „Dir, Eva, möchte ich danken. Jede Stunde ist ein Geschenk mit dir.” Man ahnt, dass Köhler sich bei seiner Frau für ein Geschenk bedankt, das sie ihm gemacht hat: die zweite Amtszeit. Lange Zeit hatten den Bundespräsidenten Spekulationen umkreist, er werde nicht wieder antreten, weil seine Frau gern ins Privatleben zurückkehren wollte. Eva Köhler lächelt ihrem Mann von der Tribüne aus zu.

Lammert überbrückt die Pause

Eigentlich hätte Bundestagspräsident Norbert Lammert das Ergebnis der Wahl verkünden sollen, tatsächlich aber ist es ein Bläserquintett, das mit seinem Einzug in den Plenarsaal signalisiert: Gleich wird die Nationalhymne gespielt. Es gibt keinen zweiten Wahlgang. Blumen werden hereingetragen und sorgen für viel Heiterkeit, weil inzwischen alle Mitglieder der Bundesversammlung wissen, dass Köhler gewonnen hat. Bloß ist er nicht da. Köhler bleibt auf dem Weg zum Bundestag im Verkehr stecken. Die Blumen werden unter Gelächter hinter Tischen versteckt, und Lammert moderiert die Pause in gewohnter Eloquenz zum gründlichen Zählvorgang um.

Das Ergebnis ist immerhin das denkbar knappste. 613 Stimmen für Köhler, es hätte keine weniger sein dürfen. SPD-Kandidatin Gesine Schwan vergisst sekundenlang zu klatschen, als fast alle Mitglieder der Bundesversammlung Köhler applaudieren. Vielleicht denkt sie daran, dass ihr elf Stimmen aus dem eigenen Lager fehlen – wohl die meisten von den Grünen. Schwan hatte mit einem Interview Verstörung produziert, in dem sie nicht eindeutig formulierte, ob sie die DDR für einen Unrechtsstaat halte. Insbesondere Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen und Wahlfrau der Grünen, hatte sich darüber erregt. Es gibt zehn Enthaltungen, und mindestens eine Grüne hat Köhler die Stimme gegeben. Silke Stokar bekennt sich offen dazu. SPD-Chef Müntefering und Kanzlerkandidat Steinmeier hatten bereits am Freitagabend beim SPD-Fest die Kandidatin mit himmelhohen Wertschätzungen vorausgetröstet. Nach der Niederlage wird weitergetröstet.

Das Beste geben

Der alte und neue Bundespräsident verspricht, weiterhin sein Bestes zu geben, und macht sich gleich an die Arbeit. Er plädiert dafür, Bürger mehr einzubeziehen. Auch eine Direktwahl des Bundespräsidenten hält er für diskutabel. Seine zweite Amtszeit werde er unter das Motto stellen: „Vertrauen wir den Bürgern.”

Was Schwan nun vorhat, will sie nicht verraten, nur, was sie nicht vorhat: ein Parteiamt zu übernehmen.