Bonn/Rom. Die tatsächliche Bedeutung des Kreuzes in der Gesellschaft wird ignoriert. Dieser Ansicht sind die Mitglieder der katholisch Deutschen Bischofskonferenz. Grund: In einem EU-Urteil sind Kreuze im Klassenzimmer verboten worden. Die Bischöfe kritisieren das Urteil aufs Schärfste.

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und der Vatikan haben das europäische Urteil gegen Kreuze in italienischen Klassenzimmern mit Enttäuschung quittiert. Das Kreuz sei «nicht nur religiöses Symbol, sondern auch kulturelles Zeichen», erklärten die deutschen Bischöfe am Mittwoch in Bonn. Der Vatikan kritisierte, im modernen Europa seien wohl bald nur noch Halloween-Kürbisse erlaubt.

Nach Ansicht der deutschen Bischofskonferenz geht das Urteil des europäischen Menschenrechtsgerichts vom Vortag «an der Lage in Italien vorbei und ignoriert die tatsächliche Bedeutung des Kreuzes in der Gesellschaft». Die Bischofskonferenzen in Europa wollten darauf hinweisen, «dass Religionsfreiheit nicht 'Freisein von Religion' bedeutet». Die Freiheitlichkeit eines Gemeinwesens zeige sich auch in seiner Offenheit und Pflege kultureller Traditionen, erklärten die Kleriker.

In Berufung gehen

Europa «nimmt uns unsere teuersten Symbole weg», kritisierte die Nummer zwei des Vatikan, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Der Kirchenstaat bedauere die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Er könne keinen Einfluss auf die Entscheidung der Straßburger Richter nehmen, unterstütze aber die italienische Regierung, die gegen das Urteil in Berufung gehen will.

Das Straßburger Gericht hatte am Dienstag einer Mutter Recht gegeben, die sich zuvor erfolglos durch alle italienischen Instanzen geklagt hatte. Die Kreuze in den Schulräumen könnten von den Schülern durchaus als religiöses Symbol gedeutet werden, befanden die Straßburger Richter. Für Schüler anderer Religionen oder bekenntnislose Kinder könne dies störend sein.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1995 in seinem umstrittenen Kruzifix-Beschluss ähnlich entschieden und Teile der bayerischen Volksschulordnung für nichtig erklärt, wonach in jedem Klassenzimmer der Volksschulen in Bayern ein Kreuz anzubringen war. Die bayerische Europaministerin Emilia Müller (CSU) erklärte am Dienstagabend, das Kreuz stehe «als Symbol für die Nächstenliebe» und die gemeinsamen europäischen Werte, die in langer Tradition gewachsen seien. Das Kreuz in den Klassenzimmern drücke dieses «gemeinsame Wertefundament» aus. (afp)