Brüssel. Die Ukraine will ihr marodes Gas-Pipelinenetz mit Milliarden-Krediten der EU reparieren. Russland reagierte auf diese Absicht mit Empörung, weil es in die Entscheidung nicht eingebunden worden sei. Diplomaten vermuten dahinter einen Machtpoker des russischen Gaslieferanten "Gazprom".

Zwischen Brüssel, Berlin, Moskau und Kiew wachsen die Missverständnisse über die geplante Reparatur des maroden ukrainischen Gasnetzes mit Hilfe von europäischen Milliardenkrediten. Zehn Tage, nachdem Premierministerin Julia Timoschenko in Brüssel ein Abkommen über politische und wirtschaftliche Reformen unterzeichnet hat, um der Ukraine den Zugang zu 2,5 Milliarden Euro an billigen EU-Krediten zu ermöglichen, hätten Moskau und die Bundesregierung mit „massivem Widerstand“ reagiert. Ursache sei, dass Russland in die Verhandlungen „nicht eingebunden“ worden sei, meldete das Handelsblatt.

Kritik aus Berlin löst Unverständnis aus

Das Auswärtige Amt „bedauerte“ gestern, „dass Russland der Erklärung nicht beigetreten ist“, so der stellvertretende Sprecher Andreas Peschke. Die vermeintliche Kritik aus Berlin löste in Brüssel gestern völliges Unverständnis aus, vor allem bei der EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner. „Berlin schießt über das Ziel hinaus“, warnte Ferreros Sprecherin. Russland sei von Anfang an voll beteiligt gewesen. „Bei der Investorenkonferenz vor zehn Tagen in Brüssel waren 15 Leute des russischen Versorgers Gazprom beteiligt, RWE, E.ON, und der russische Energieminister hat eine, wenn auch eigenartige, Rede gehalten, und wir haben Außenminister Lawrow zuvor angesprochen und gesagt: Bringt Euch ein“, verteidigte Ferreros Sprecherin, Christiane Hohmann. Die konkreten Kreditabkommen seien außerdem überhaupt noch nicht unterzeichnet worden, sondern nur die politische Reformerklärung der Ukraine. Das bestätigte auch Peschke und unterstrich: „Deutschland unterstützt die Erklärung“, besser wäre es jedoch gewesen, wenn auch Lieferländer wie Russland sie unterzeichnet hätten.

Ohne Absprache mit den Russen keine Reparaturen

Hohmann in Brüssel sah Moskau ohnehin beteiligt: „Es doch auch völlig klar, dass die russischen strategischen Partner an der Umsetzung der Reparaturen beteiligt sein müssen, weil man korrodierte Gasleitungen in der Ukraine nicht einfach zur Reparatur zumachen kann, ohne Absprachen mit den Russen“.

Seit Montag gibt es in Kiew derweil Anzeichen, dass Timoschnko einige ihrer Brüsseler Zusagen nicht einhalten kann. Sie hatte angekündigt, dass bis 31. März alle Reformgesetze vom Parlament unterzeichnet würden. Am Montag aber fehlte dort ein Votum, um staatlich verbilligte Gaslieferungen für private Haushalte mittelfristig zu beenden. Auch das Gesetz über die Pensionsreform in der Ukraine wurde nicht unterzeichnet, ebenso fehlen weiter schärfere Regeln, um laufende Haushaltsschulden zu senken. Das hatte Kiew dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zugesichert, um eine weitere Tranche eines Milliardenkredits zu bekommen. „Der IWF hat noch nicht reagiert“, so Hohmann.

Empörung nur russischer Machtpoker

Ein EU-Diplomat in Brüssel fürchtete gestern, die Moskauer Empörung sei in Wahrheit Teil des russischen Machtpokers. Gazprom hat erhebliches Interesse, die Gaspipelines der Ukraine zu kaufen. Timoschenko setzt dagegen auf EU-Geld und hatte das Moskauer Ansinnen klipp und klar abgelehnt. Auch EU-Energiekommissar Andris Piebalgs verlangt nicht, dass Kiew die Pipelines, immerhin 13.500 Kilometer lang, an private Investoren verkauft. Brüssel verlangt nur, die Gasnetze aus dem Bereich politischer Willkür zu holen, damit Unternehmen wie RWE, E.ON oder Gazprom verlässlich in Reparaturen investieren können.

Auch der angebliche Streit um die nötige Milliardenhöhe basiere auf falschen Annahmen, so Hohmann. Timoschenko habe fünf Milliarden Euro genannt, die für Reparatur und Netzausbau nötig seien. Die EU rede aber nicht von Ausbau. „Wir sagen: keinen Kilometer mehr“. Aber das Netz sei völlig marode. „40 Jahre wurde nichts gemacht, wir brauchen Kompressorstationen und neue Messstationen an der Ostgrenze, um nachweisen zu können, wie viel Gas dort ins Land kommt“. Alleine schon reparierte Leitungen und Kompressoren für höheren Gasdruck ermöglichten um 20 Prozent höhere Gastransit-Lieferungen in de Westen.

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