Teheran. Drei Stunden dauerte am Samstag der im Staatsfernsehen übertragene Auftakt des ersten Schauprozesses nach den Unruhen gegen Mahmud Ahmadinedschad. Angeklagt sind einfache Demonstranten, aber auch Oppositions-Politiker.

Ihre Gesichter sind von der Haft gezeichnet. Tiefe Augenränder, eingefallene Wangen, viele der rund 100 Angeklagten sind in Handschellen. In hellgrauer Gefängniskleidung sitzen sie bewacht von Polizisten im „15. Revolutionären Gerichtshof” im Iman-Chomeini-Justizzentrum. Drei Stunden dauerte am Samstag der im Staatsfernsehen übertragene Auftakt des ersten Schauprozesses nach den Unruhen gegen Mahmud Ahmadinedschad.

Angeklagt sind einfache Demonstranten, aber auch Oppositions-Politiker – unter anderem der frühere Vizepräsident Mohammad Abtahi, der ehemalige Regierungssprecher Abdollah Ramezanzadeh, der frühere Vizepräsident des Parlaments, Behzad Nabavi, sowie der Chef der größten Reformpartei, der Beteiligungsfront des Islamischen Iran (IIPF), Mohsen Mirdamadi. Ihnen drohen lange Haftstrafen, vielleicht der Tod.

Denn die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, von langer Hand und mit ausländischer Finanzhilfe einen Putsch geplant zu haben. Die Reformer hätten das System mit einer samtenen Revolution stürzen wollen, hieß es nach Angaben der Nachrichtenagentur Irna in der 15-seitigen Anklageschrift. Die Beschuldigten hätten Militär- und Regierungsgebäude angegriffen sowie Kontakte zu bewaffneten oppositionellen Gruppen wie den Volksmudschahedin unterhalten – Vorwürfe, auf die das iranische Reformlager am Wochenende mit scharfem Einspruch reagierte. Die Anklage sei aus Leitartikeln der Zeitung Kayhan abgeschrieben, spottete die IIPF-Partei. Kayhan ist das Sprachrohr des Obersten Religionsführers Ali Chamenei, der den Chefredakteur persönlich auswählt.

Der frühere Präsident Chatami sprach von einem „Schauprozess” und geißelte als rechtswidrig, dass die Verteidiger nicht in den Gerichtssaal gelassen wurden, keine Akteneinsicht bekamen und vorab nichts über die Anklagepunkte erfuhren. Der Prozess dürfe nicht zur „Vertuschung der wirklichen Verbrechen” führen, die von den Sicherheitskräften gegen Demonstranten verübt worden seien.

Ähnlich argumentierte Mohsen Rezai, langjähriger Chef der Revolutionären Garden und Gegenkandidat zu Ahmadinedschad aus dem konservativen Lager. Er forderte in einem Brief an die Justiz, auch diejenigen müssten vor Gericht gestellt werden, „die die Studentenheime in Teheran angegriffen, Gefangene verprügelt und friedliche Demonstranten verletzt haben”. Sonst werde die Islamische Republik noch mehr Schaden nehmen und die Unruhen würden zu keinem Ende kommen, schrieb Rezai. Ex-Präsident Rafsandschani kritisierte die angeblichen Geständnisse als „pure Lügen”. Es sei unklar, „wie und unter welchen Umständen die Aussagen zu Stande gekommen sind”. Hossein Mussawi warf den Behörden „mittelalterliche Foltermethoden” vor.

So wurde dem früheren Vizepräsidenten Mohammed Ali Abtahi, im Westen als der bloggende Mullah bekannt, im Gefängnis offenbar so schwer zugesetzt, dass er beim Prozessauftakt einen vorbereiteten Text vortrug: „Ich sage allen, der Vorwurf des Wahlbetrugs war eine Lüge und wurde konstruiert, um Unruhen im Iran zu schüren. . .”, las Abtahi von einem Blatt ab. Seine Frau vermutet, dass ihr Mann unter Drogen gesetzt wurde.

Den Blog des Reformgeistlichen hat das Regime bislang nicht abgeschaltet. „Es war ein großer Schwindel”, heißt die Überschrift über seinem letzten Eintrag, in der Nacht nach dem 12. Juni. Er endet: „Jetzt werden die jungen Leute wieder über Auswanderung nachdenken. Wir aber müssen versuchen, auf den Füßen zu bleiben.”

Zweite Amtszeit

Am 12. Juni hatte sich Mahmut Ahmadinedschad zum Wahlsieger erklärt, was zu den massenhaften Protesten von Bürgern und Politikern führte, die das Ergebnis der Auszählung bezweifeln. Am Montag wird Ahmadinedschad vom Obersten Religionsführer Ali Chamenei offiziell für die zweite Amtszeit bestätigt, am Mittwoch vor dem Parlament vereidigt.