Brüssel. Mehr als ein Jahr nach dem Krieg in Georgien hat eine internationale Untersuchung mehr Klarheit über die Verantwortung für den Kaukasuskonflikt gebracht. Demnach war es wohl die georgische Regierung, die den Krieg begann. Aber auch Russland war an dem Konflikt nicht unschuldig.
Für den Kaukasuskrieg im Sommer vergangenen Jahres waren nach einem Bericht für die EU sowohl Georgien als auch Russland mitverantwortlich. Wie vor der Vorlage des Berichts am Mittwoch in Brüssel verlautetet, ergab die Untersuchung einer internationalen Kommission, dass Georgien den fünftägigen Krieg im August 2008 begonnen hat. Allerdings sei die Regierung von Russland provoziert worden und Moskau habe die Situation ausgenutzt. Der Bericht «dürfte die Situation klären», sagte der EU-Außenbeauftragte Javier Solana.
Die Regierungen in Tiflis und Moskau beschuldigen sich gegenseitig, den Krieg mit 390 Toten provoziert zu haben. Am 7. August 2008 überschritten russische Truppen die Grenze, nachdem die georgischen Streitkräfte eine Offensive gegen Südossetien eingeleitet hatten. Russische Panzer trieben die georgischen Streitkräfte in die Flucht und stießen tief in das georgische Kernland vor.
Bericht soll Ursachen des Krieges klären
Moskau betrachtet den 8. August als Kriegsbeginn, als die südossetische Hauptstadt Zchinwali von georgischer Artillerie beschossen wurde. Ein von der EU vermittelter Waffenstillstand beendete die Kämpfe nach fünf Tagen. Russland hat in Südossetien und Abchasien weiterhin tausende Soldaten stationiert und die beiden Regionen als unabhängig anerkannt.
Dem von der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini verfassten Untersuchungsbericht liegen die Angaben von 30 Experten zugrunde, wie der deutsche Botschafter in Georgien von 2001 bis 2006, Uwe Schramm, mitteilte. Alle Seiten hätten sich kooperativ gezeigt, sagte Schramm, der ebenfalls an der Ausarbeitung des Berichts beteiligt war.
Die Europäische Union hatte die Untersuchung im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben. Sie solle die Ursachen des Krieges klären, aber keine Schuldzuweisungen beinhalten und damit für Kompensationsansprüche genutzt werden können, erklärte Schramm.
Ethnische Säuberungen durch Russland?
Ein georgischer Gewährsmann, der über den Inhalt des Untersuchungsberichts informiert wurde, sagte der Nachrichtenagentur AP, russischen Truppen würden darin ethnische Säuberungen vorgeworfen. Einige Soldaten hätten außerdem bereits vor Beginn des Konflikts die Grenze zur abtrünnigen georgischen Region Südossetien überschritten.
Vorwürfe in dem EU-Untersuchungsbericht an Georgien könnten die russischen Bemühungen um weitere internationale Anerkennung von Abchasien und Südossetien unterstützen. Bislang sind nur Nicaragua und Venezuela der Moskauer Entscheidung gefolgt. Außerdem könnten damit die Hoffnungen auf einen baldigen Nato-Beitritt Georgiens untergraben werden. Kritik an Russland wiederum könnte dort Vorbehalte schüren, dass der Westen Moskau gegenüber voreingenommen ist. (ap)