Berlin. Die Gewerkschaft der Polizei hat sich besorgt über die anhaltende Gewaltbereitschaft in Deutschland gezeigt. Ihr Vorsitzender Konrad Freiberg warnt davor, sich vom Rückgang der Gesamtkriminalität täuschen zu lassen, wie er in der jüngsten Kriminalstatistik ausgewiesen wird.
«Die Verrohung schreitet weiter voran», sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg. Die sprunghaft gestiegene Zahl von gefährlichen und schweren Körperverletzungen im öffentlichen Raum und der wachsende Widerstand gegen die Polizei zeigten, dass Gewalt weiterhin als «Geißel der Gesellschaft» gelten müsse. Insbesondere Polizisten schlage zunehmend massive Gewalt entgegen - «sei es bei Auseinandersetzungen von Links- und Rechtsextremisten, bei Großereignissen, bei Fußballspielen oder Streitereien in Kneipen oder im Haushalt».
Der Gewerkschaftschef warnte davor, die positiven Zahlen zum Vorwand für einen weiteren Personalabbau bei der Polizei zu nehmen. Vor allem die wachsenden Herausforderungen bei Großeinsätzen, die latente Gefahr von Terroranschlägen, die steigende Internetkriminalität und die zunehmende Gewaltbereitschaft erforderten im Gegenteil eine spürbare Stärkung der Polizei.
Schäuble lobt Erfolge bei Kampf gegen Jugendkriminalität
Wie aus der am Montag veröffentlichten jährlichen Polizeilichen Kriminalitätsstatik hervorgeht, ist die Kriminalität in Deutschland im vergangenen Jahr erneut leicht zurückgegangen. Die Polizei registrierte 2008 rund 6,1 Millionen Straftaten, Das waren 2,7 Prozent oder 170.533 Fälle weniger als 2007. Damit ist die Zahl der registrierten Straftaten auch pro 100.000 Einwohnern seit 2004 kontinuierlich gesunken. Deutschland sei ein sicheres Land, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin. Mit 54,8 Prozent lag die Aufklärungsquote minimal unter den Werten der Vorjahre. Besonders signifikant fiel der Rückgang bei der Jugendkriminalität aus. Dies lasse auf eine Trendwende hoffen, so Schäuble.
Die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen nahm bundesweit um 4,2 Prozent auf 265 771 ab. Die Entwicklung ist dem Bericht zufolge insbesondere auf sinkende Fälle von Körperverletzung und Diebstahl zurückzuführen. Zudem habe sich die noch 2007 beobachtete zunehmende Gewaltbereitschaft unter Mädchen nicht fortgesetzt. Nach einem Anstieg im Vorjahr gerieten nun auch wieder weniger Kinder unter Tatverdacht.
Schäuble würdigte die Entwicklung bei der Kinder- und Jugendkriminalität als Erfolge politischer und gesellschaftlicher Präventionsprogramme. Zudem sei die Anzeigebereitschaft gestiegen. Gewalt auf dem Schulhof werde nicht mehr einfach akzeptiert, sagte der CDU-Politiker. Die Zahlen seien keine Entwarnung, gäben aber Anlass zur Hoffnung.
Erneut weniger Straftaten
Die mit Abstand höchsten Rückgänge verzeichneten die Ermittler bei Diebstählen in oder aus Kraftfahrzeugen mit 59.711 Fällen oder minus 17,1 Prozent. Rauschgiftdelikte nahmen um 3,4 Prozent auf 239.951 ab. Gewaltkriminalität wie Mord, Vergewaltigung oder Körperverletzung nahm um 3,2 Prozent auf 210.885 Fälle ab. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), beklagte hier aber ein weiterhin sehr hohes Niveau nach dem Spitzenwert 2007. Der Betrug mittels rechtswidrig erlangter Daten von Zahlungskarten verdoppelte sich binnen eines Jahres auf 10.124 Fälle.
Unter den Bundesländern entfielen die höchsten Kriminalitätsraten pro 100.000 Einwohner auf Bremen (14.282), Berlin (14.131) und Hamburg (13.354). Der bundesweite Schnitt lag bei 7445. Bayern verzeichnete die niedrigste Quote (5203). Mäurer verwies jedoch auf die grundsätzlich höhere Kriminalitätsrate in Städten im Vergleich zu Flächenländern. Unter den Städten ab 200.000 Einwohner führt Frankfurt am Main mit 15.976 Fällen die Statistik an.
Mit die höchste Aufklärungsquote konnte die Polizei bei Mord und Totschlag mit 97 Prozent verzeichnen. Im Gegenzug wurde nur etwa jeder siebte Diebstahl unter erschwerenden Umständen wie etwa Wohnungseinbruchdiebstahl aufgeklärt.
Mäurer sieht die positiven Entwicklungen nicht als Anlass, die Zahl der Polizisten zu reduzieren. Einen Personalabbau könne sich Deutschland angesichts des «Massenanstiegs» von Gewalttaten in den vergangenen Jahren nicht leisten. (ap/ddp)