Berlin. Für den Ex-Präsidenten ist der Gerichtsalltag eine Zumutung. Dabei läuft es ganz gut für ihn. Experte van de Laar wagt eine Prognose.
Herr van de Laar, was war in den vergangenen Tagen der bemerkenswerteste Moment in den USA?
Julius van de Laar: Die Gerichtsverfahren gegen Donald Trump standen natürlich im Mittelpunkt. Darüber hinaus: Das Repräsentantenhaus hat mit dem Ukraine-Hilfspaket endlich mal wieder was hingekriegt, nachdem es die letzten Jahre von Blockaden beider Seiten geprägt gewesen war. Hinzu kam: Kim Kardashian hat sich in den Wahlkampf eingeschaltet, was ich nun wirklich nicht erwartet habe.
Was hat Kardashian gemacht?
Sie ist nicht nur Influencerin und Online-Business-Mogul, sondern arbeitet auch daran, Juristin zu werden und setzt sich seit einigen Jahren für eine Strafrechtsreform ein. Sie hat auch schon lobbyiert, Trump und die Zusammenarbeit mit ihm öffentlich gelobt. Diese Woche allerdings war sie von Joe Biden eingeladen, um mit ihm und Kamala Harris darüber zu sprechen, wie man dieses veraltete und teilweise ungerechte System verändern kann.
Da geht es unter anderem um den Besitz von kleinen Drogenmengen, wofür man heutzutage schnell für Jahre ins Gefängnis kommen kann. Das war ein kluger Schachzug der Biden-Kampagne, in dieser Woche – in der alle auf Trumps Prozesse schauen – die Aufmerksamkeit auf die Demokraten zu lenken und mit der eigenen Botschaft durchzudringen.
Besonders wichtig war die Anhörung zu Trumps Immunität vor dem Supreme Court am Donnerstag. Wie hat das auf Sie gewirkt?
Das ist sicherlich ein kolossaler Sieg für Trump gewesen – und das beste Zwischenergebnis, das er sich wünschen konnte …
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
… dabei fällt das Gericht sein Urteil erst in ein paar Wochen …
Ja, aber selbst wenn es im Juni die Immunität des Ex-Präsidenten teilweise aufhebt, wäre das vermutlich viel zu spät, um diese zahlreichen Gerichtsverfahren noch vor der Wahl im November zu beginnen und auch zu einem Urteil zu bringen. Erinnern wir uns: Vor ein paar Monaten nahmen wir noch an, Trump würde sich in insgesamt vier Verfahren verantworten müssen – ein Bundesverfahren wegen Trumps Rolle bei der mutmaßlichen Verschwörung und dem Sturm auf das Kapitol nach der Wahl 2020, ein weiteres Bundesverfahren wegen seines Umgangs mit hochsensiblen Regierungsdokumenten auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago sowie in New York wegen Betrugs in seinem Firmenimperium und wegen der mutmaßlich vertuschten Schweigegeld-Zahlung an Stormy Daniels. Davon ist jetzt nur noch letzterer Prozess übrig geblieben. Damit steht Trump nicht so schlecht da.
Wie kann er daraus noch Kapital schlagen?
Nun ja, er könnte im Falle einer Wiederwahl nach dem 5. November einen Justizminister einsetzen, der sich der Trumpschen Lesart anschließt: Diese Prozesse sind alle politisch motiviert, eine reine Hexenjagd. Der Minister könnte die Anklagen der Staatsanwaltschaften dann kassieren. Frühestens vier Jahre später könnten die Fälle dann von einem neuen Generalstaatsanwalt vorgebracht werden.
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Welchen Eindruck hat Trump zuletzt im Gerichtssaal gemacht?
Den Berichten nach ist er stark frustriert. Und dabei sind wir erst in Woche zwei – von wahrscheinlich sechs oder sieben. Donald Trump ist keiner, der einfach nur still sitzt. Der liebt Action und vor den Kameras zu agieren. Seine mediale Präsenz ist auf wenige Minuten morgens und abends zusammengedampft. Im Gerichtssaal wirkt er frustriert und deprimiert, so schildern es mehrere Beobachter. Die Frage ist: Geht ihm das wirklich an die Psyche, dass er ein paar Wochen nicht seine Show machen kann?
Eine Szene illustriert das ganz gut: Am vergangenen Wochenende wollte er eigentlich nach North Carolina für eine Wahlkampfveranstaltung. Wegen schlechten Wetters konnte sein Flugzeug nicht landen, er kreiste also im Flieger über der Ostküste und sendete schließlich eine Sprachnachricht an seine Anhänger – „I’m so sorry“, es tue ihm leid, er könne nicht kommen. Gefühlt das erste Mal seit Jahrzehnten, dass sich Donald Trump für etwas entschuldigt hat. Das zeigt, wie sehr er jetzt den Kontakt zu seiner Basis sucht.
Wie reagieren die Trump-Anhänger bisher auf den Prozess?
Das wird sich erst in den kommenden Wochen in Umfragen abzeichnen. Aber nach allem, was ich höre und in den konservativen Medien wahrnehme, wird jeder Teilaspekt des Prozesses genutzt – teilweise sehr effektiv –, um für Trump Stimmung zu machen. Ein Beispiel ist die Gag Order – Trump darf sich öffentlich nicht mehr zum Prozess äußern, doch er hält sich nicht daran. Der Richter Juan Merchan macht immer wieder deutlich: So geht es nicht. Trumps früherer Pressesprecher Sean Spicer greift das also in seinen Social-Media-Kanälen sofort auf und vermutet, nun müsse Trump auf die Gefängnisinsel Rikers Island in New York, weil er gegen den sogenannten Maulkorb verstoßen habe. Obwohl das in der Theorie möglich wäre, ist diese Interpretation natürlich völlig abwegig. Aber das sind die kleinen Geschichten, die hochgekocht werden, um einen relativ drögen Gerichtstag mit Leben zu füllen und in die Offensive überzugehen.
Eine besondere Rolle kommt aktuell David Pecker zu, dem Verleger des „National Enquirer“ …
Pecker hat Dinge gesagt, die Trump vor der Jury schaden könnten. Seiner Aussage nach haben Trump und er schon 2015 darüber gesprochen, wie sie gemeinsam das öffentliche Bild von Trump positiv beeinflussen könnten. Man nennt das in den USA „checkbook journalism“ – man bezahlt, um bessere Presse zu bekommen, mit einem sogenannten „Catch and kill“-Verfahren. Sagen wir mal, die Pornodarstellerin Stormy Daniels wendet sich mit ihrer Geschichte an das Boulevardblatt „National Enquirer“. Pecker würde ihr für die exklusive Story Geld zahlen, aber auf Anweisung von Trump niemals einen Artikel darüber schreiben lassen. Das ist problematisch und kein Journalismus, und der Verdacht liegt nahe, dass Trump die Wahl damit beeinflussen wollte. Nun sagte Pecker auf die Frage der Verteidiger allerdings auch: Das sei gängige Praxis in den USA, er habe auch mit Arnold Schwarzenegger solche Vereinbarungen getroffen.
Das ist ein schwerwiegendes Argument …
Allerdings. Aber es könnte potenziell wirksam sein. Denn, und das ist faszinierend: Es reicht am Ende, wenn auch nur ein Juror sagt, ich bin mir nicht sicher, ob Trump schuldig ist. Das Urteil wäre dann nicht mehr rechtskräftig, Trump wäre ein freier Mann. Insofern ist das die Strategie der Verteidigung: Sie müssen nur ein Jury-Mitglied überzeugen, nicht zwölf.
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