Halle. Der Thüringer AfD-Chef verteidigt sich: Der Satz, für den er angeklagt ist, sei ein „Allerweltsspruch“ – dann holt er Bücher hervor.
Das Video wirkt aus der Zeit gefallen. Ein Moderator tritt ans Mikrofon und fordert Anwesende auf, Abstände einzuhalten. Es ist Frühsommer 2021 in Sachsen-Anhalt, die Corona-Pandemie hält Deutschland in Atem. Menschen tragen Masken, auch im Freien. Nach mehr als einer Stunde ist der AfD-Landesvorsitzende aus Thüringen zu sehen. Björn Höcke beendet seine Rede mit „Alles für unsere Heimat. Alles für Sachsen-Anhalt. Alles für Deutschland“ – und steht deshalb jetzt, fast drei Jahre später, in Halle vor Gericht.
„Alles für Deutschland“ ist eine Parole der Sturmabteilung (SA) der NSDAP; eine verfassungsfeindliche Organisation. Das Verwenden solcher Parolen ist verboten. Die Staatsanwaltschaft legt Höcke zur Last, den Ausspruch in dem Wissen verwendet zu haben, dass sie verfassungsfeindlich ist. Nun sitzt er am zweiten Verhandlungstag im Landgericht auf der Anklagebank – und muss sich erklären.
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Der Andrang ist deutlich geringer als zum Auftakt vergangene Woche. Im Saal ist unter anderem der sachsen-anhaltinische Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider anwesend. Höcke und er kennen sich gut. In einer Prozesspause sagt Tillschneider im Gespräch, dass er nie damit gerechnet habe, dass dieses Verfahren über die Vorermittlungen hinaus komme. Soweit ist es aber längst. Während das Video gezeigt wird, liest Höcke in mitgebrachten Büchern, die später noch eine Rolle spielen werden,
Höcke sagt vor Gericht, die Parole sei ein Allerweltsspruch
Ein anderes Mal bietet er seinen Anwälten Ralf Hornemann, Philip Müller und Ulrich Vosgerau Kaugummi an. Höcke verfolgt aber meist aufmerksam, was im Gerichtssaal vorgeführt wird. In seiner Erklärung rechtfertigt sich der 52-Jährige vor allem für das Ende seiner Rede, das Gegenstand der Anklageschrift ist und ihm zur Last gelegt wird. Er wiederholt seine Sichtweise, bei der SA-Parole handele es sich um einen „Allerweltsspruch“.
„Ich stehe hier in vollem Bewusstsein, gegen kein Recht und kein Gesetz verstoßen zu haben“, sagt Höcke, der fast 25 Minuten spricht, bevor er eine weitere Stunde Fragen von Staatsanwaltschaft, Kammer und seinen eigenen Verteidigern beantwortet. Der AfD-Vorsitzende hat sich gut vorbereitet auf seine Aussage, zeigt Bücher aus dem Geschichtsunterricht – sowohl solche, mit denen er nach eigenen Angaben als Schüler unterrichtet wurde, als auch Werke, mit denen er selbst Unterricht erteilt hat.
Höcke war vor seiner Zeit als Politiker in Thüringen 15 Jahre als Lehrer tätig und hat unter anderem Geschichte unterrichtet. Hätte er deshalb wissen müssen, dass die Parole „Alles für Deutschland“ im Sinne des Strafgesetzbuches strafbar ist? Zu dieser Überzeugung scheint die Staatsanwaltschaft mit ihrer Anklage bereits gelangt. Höcke widerspricht vehement: „Nein, der Geschichtslehrer muss das nicht wissen.“ Wenn er es gewusst hätte, so Höcke, dann hätte er diese Formulierung „selbstverständlich nicht“ verwendet.
Auch bei einer Verurteilung droht nur eine Geldstrafe
Für die Kammer steht ohnehin fest, dass der Politiker auch im Falle einer Verurteilung lediglich mit einer Geldstrafe rechnen muss. „Zum Tatzeitpunkt war es weiten Teilen der Bevölkerung nicht bekannt, dass es sich bei ‚Alles für Deutschland‘ um eine Parole der SA handelt“, stellt der Kammervorsitzende in einer Erklärung zum Stand des Verfahrens fest. Zwei weitere Prozesstage hat das Gericht noch angesetzt. Am 13. Mai soll das Urteil fallen.
In den Fokus geraten könnte bis dahin noch das Nachtatverhalten Höckes. Im Dezember 2023 soll Höcke erneut die verbotene Parole verwendet haben. Bei einem Bürgerdialog der AfD in Gera sagte er zunächst „Alles für …“ und forderte das Publikum dann durch Gesten auf, „Deutschland“ zu sagen.
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