Brüssel. Das angekündigte Ende der Umstellung der Uhren lässt auf sich warten. Wer schuld ist, was es mit der „halben Sommerzeit“ auf sich hat.

Seit Jahren wird in Europa darüber diskutiert, die halbjährliche Zeitumstellung abzuschaffen. Bislang vergeblich. Das EU-Parlament hat geliefert, aber ein Streit zwischen Mitgliedstaaten und Kommission blockiert die geplante Reform. Doch die Befürworter geben nicht auf: Zur Umstellung auf die Sommerzeit am Sonntag machen Abgeordnete aus dem EU-Parlament jetzt Druck und ermahnen die Mitgliedstaaten, sich endlich zu bewegen.

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„Die Sache einfach liegen zu lassen, ist völlig inakzeptabel“, sagte der Gesundheitsexperte und CDU-Europaabgeordnete Peter Liese (Nordrhein-Westfalen) unserer Redaktion. „Die Verweigerungshaltung des Rates ist unerträglich. Viele Menschen leiden unter der Zeitumstellung, und es gibt auch ernst zu nehmende medizinische Hinweise, dass Krankheiten zunehmen.“

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    Ähnlich äußert sich die Vorsitzende des Binnenmarkt-Ausschusses des Parlaments, Anna Cavazzini: Die Mitgliedstaaten sollten gleich nach der Europawahl am 9. Juni den „gordischen Knoten“ lösen und die Gesetzgebung endlich voranbringen, fordert die Grüne aus Sachsen. Denn nach der Europawahl vergehen einige Monate, bis eine neue Kommission im Amt ist und wieder Initiativen auf den Weg bringt – im Sommer gebe es also ausreichend Zeit für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, um das überfällige Versprechen einzulösen, die Zeitumstellung abzuschaffen.

    Zeitumstellung: Der Energiespareffekt ist minimal

    Der Appell trifft die Europäische Union an einem wunden Punkt: Die Debatte um die Zeitumstellung wird immer mehr zum Ärgernis. Die EU-Kommission hatte schon im September 2018 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, um das Uhrumstellen zu beenden. Begründung: Der ursprünglich erhoffte Energiespareffekt sei minimal. Zugleich sprach sich in einer europaweiten Umfrage eine große Mehrheit der Bürger für die Abschaffung aus. Besonders engagiert sind bei dieser Forderung die Deutschen: In Umfragen plädieren drei Viertel der Bundesbürger für das Ende der Zeitumstellung.

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    Als Endtermin schlug die Kommission das Frühjahr 2019 vor. Das war zu knapp. Das EU-Parlament nahm den Ball auf und stimmte dafür, das Ende auf das Frühjahr 2021 festzulegen. Doch auch dieser Termin platzte: Denn nur ein gemeinsamer Beschluss von Parlament und Mitgliedstaaten könnte das Aus herbeiführen. Aber die EU-Mitgliedstaaten finden keine Position, deshalb ist die Verständigung mit dem Parlament blockiert. Das Problem: Eine Reihe von Regierungen, darunter auch die Bundesregierung in Berlin, beharren darauf, dass die Kommission erst noch eine fundierte Folgenabschätzung vorlegt, welche Auswirkungen die Einführung einer dauerhaften Sommerzeit oder Winterzeit konkret hätte. Das lehnt die Kommission aber ab. Man habe bereits ausreichende Analysen für einen Beschluss geliefert, heißt es in der Behörde.

    Die EU-Kommission in Brüssel hatte den Vorstoß für die Abschaffung der Zeitumstellung schon 2018 vorlegt. Das EU-Parlament ist dafür – aber der Rat der Mitgliedstaaten blockiert bis heute die Entscheidung.
    Die EU-Kommission in Brüssel hatte den Vorstoß für die Abschaffung der Zeitumstellung schon 2018 vorlegt. Das EU-Parlament ist dafür – aber der Rat der Mitgliedstaaten blockiert bis heute die Entscheidung. © Unbekannt | Unbekannt

    Welche Zeit in den einzelnen Mitgliedstaaten gelten solle, müsse dort diskutiert und beschlossen werden: „Der Ball liegt jetzt im Feld der Mitgliedstaaten.“ Doch dort schaltet man ebenfalls auf stur – ohne Gutachten der Kommission keine Diskussion. Also passiert nichts. Die Brüsseler Kommissionsbeamten haben deshalb schon die Fortdauer der halbjährlichen Zeitumstellung mit den Terminen für Sommer- und Winterzeit bis Ende 2026 verbindlich geregelt. Der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der den Vorstoß 2018 initiiert hatte, zeigt sich enttäuscht: „Die Regierungen sind abgetaucht, aus Gründen, die mir nicht nachvollziehbar erklärt wurden“, sagte Juncker dem Portal „Web.de“. Er wirft den Mitgliedstaaten vor, den Vorschlag der Kommission „nur oberflächlich begutachtet“ zu haben.

    Sommerzeit? Winterzeit? Es gab schon verzweifelte Vorstöße

    Hinter dem Blockadekurs der nationalen Regierungen stecken allerdings große Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten. Einige sind komplett gegen das Ende der Zeitumstellung und wollen die Pläne durch Nichtstun leise beerdigen. Andere, auch die Bundesregierung in Deutschland, scheitern daran, wenigstens mit ihren Nachbarstaaten eine Verständigung auf gemeinsame Zeitregelungen zu erreichen. Denn jeder Mitgliedstaat müsste jeweils in eigener Verantwortung festlegen, ob er in seinen Grenzen dauerhaft Sommer- oder Winterzeit will. Beides hätte Vor- und Nachteile, die Entscheidung ist schwierig und erfordert enge Abstimmung mit den Nachbarn.

    Die Wecker und Uhren erfahren wieder eine Zeitumstellung. Dabei hatte die EU-Kommission den halbjährlichen Wechsel schon vor fünf Jahren abschaffen wollen.
    Die Wecker und Uhren erfahren wieder eine Zeitumstellung. Dabei hatte die EU-Kommission den halbjährlichen Wechsel schon vor fünf Jahren abschaffen wollen. © Billion Photos / Shutterstock | Unbekannt

    In dieser Lage hatte es auch schon geradezu verzweifelte Vorstöße gegeben: So schlug die Vizechefin der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Biljana Borzan, vor einiger Zeit vor, in Europa solle dauerhaft eine „halbe Sommerzeit“ gelten. Die Folge, vereinfacht gesagt: Wenn die Sonne mittags am höchsten steht, wäre es künftig immer 12.30 Uhr und nicht 12 Uhr wie bisher im Winter oder 13 Uhr laut Sommerzeit (präzise würde das jedenfalls am 15. Längengrad Ost gelten, an dem sich die Mitteleuropäische Zeit orientiert). Kommission und Mitgliedstaaten weigerten sich aber, den Vorschlag überhaupt nur ernsthaft zu diskutieren. Borzan ist empört über die hinhaltenden Reaktionen: Dass die Mitgliedsländer nicht handelten und die Zeitumstellung weitergehe, sei „zwei Mal jährlich eine Schande“.

    Auch der Gesundheitsexperte Liese ist verärgert: „Ich hatte ein gewisses Verständnis dafür, dass sich der Rat während der Pandemie nicht um das Thema gekümmert hat, aber die ist zum Glück schon lange vorbei.“ Und die Minister kümmerten sich um viele Punkte, die aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger sicher weniger dringend seien. Wenn die zuständigen Minister der Mitgliedstaaten den Vorschlag der Kommission beziehungsweise des Europäischen Parlamentes ablehnten, „sollten sie das zumindest mal offensiv kommunizieren“, meinte Liese.