Tel Aviv/Berlin. Vermittler hoffen auf eine Feuerpause in dem Fastenmonat. Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas könnte sich dennoch verschärfen.
Mit Beginn des Ramadans bricht eine heikle Phase im Gazakrieg an. Vermittler hoffen auf eine Feuerpause zwischen der Hamas und der israelischen Armee während des muslimischen Fastenmonats. Die israelischen Sicherheitsbehörden befürchten jedoch eine Eskalation durch islamistische Terrorgruppen. Derweil laufen die internationalen Bemühungen zur humanitären Versorgung der notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen über das Meer auf Hochtouren. Auch Deutschland will sich beteiligen.
Kommt es zu einer Feuerpause?
Der internationale Druck auf beide Seiten ist groß, die Kämpfe in dem Fastenmonat einzustellen. Die Hoffnung ist jedoch gering. „Ich will eine Feuerpause sehen, beginnend mit einem großen Gefangenenaustausch. Für einen Zeitraum über sechs Wochen“, fordert US-Präsident Joe Biden. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hofft auf einen länger anhaltenden Waffenstillstand, „am besten“ schon während des Ramadans: „Ein solcher Waffenstillstand sollte sicherstellen, dass die israelischen Geiseln endlich freigelassen werden und dass endlich mehr humanitäre Hilfe in Gaza ankommt.“
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Israel glaubt jedoch nicht, dass es zu einem Ende der Kämpfe kommt. Die Hamas sei nicht an einer Waffenruhe interessiert, warnt der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad. Die Terrororganisation wolle die Region „im Ramadan in Brand setzen“, wirft Mossad-Chef David Barnea der Hamas vor. Israel treibt seinerseits Vorbereitungen für eine Bodenoffensive in Rafah im Süden Gazas voran.
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Was befürchtet Israel während des Ramadans?
Die israelischen Sicherheitskräfte sind in dem Fastenmonat in höchster Alarmbereitschaft. Terrorgruppen nutzen den heiligen Monat, um sich als Hüter der religiösen Stätten aufzuspielen – allen voran der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Hierhin pilgern die Gläubigen, um ihre Gebete zu sprechen. Ein Gebet in der Al-Aksa, so glauben manche, sei so viel wert wie fünf normale Gebete. Jedes Jahr im Ramadan kommen deshalb mehrere Hunderttausend Palästinenser nach Jerusalem. Es sind nicht nur israelische Araber, sondern auch Muslime aus dem Westjordanland und sogar aus Gaza. Für den Besuch der Al-Aksa im Fastenmonat erhalten sie von der israelischen Armee eine spezielle Erlaubnis für den Grenzübertritt.
In diesem Jahr bleibt die Grenze für die Muslime aus Gaza geschlossen. Um ein Haar wären auch die Palästinenser im Westjordanland vom Gebet in der Al-Aksa abgeschnitten gewesen: Israels Minister für Nationale Sicherheit, der rechte Scharfmacher Itamar Ben-Gvir, hatte sich dafür ausgesprochen. Israels Geheimdienste hielten solch strenge Zugangsbeschränkungen im Ramadan für eine tickende Bombe: Das Kriegskabinett ließ sich davon überzeugen.
Was befürchtet Israel?
Tausende Polizisten sind in Jerusalem an Brennpunkten stationiert. Alle wissen: Es reicht ein Funke, um einen Brand zu entfachen. Ein steinewerfender Palästinenser auf dem Tempelberg, der einen israelischen Polizeieinsatz auslöst, der dann wiederum von der Hamas als „Krieg gegen unsere heilige Al-Aksa“ verkauft wird – und schon marschieren wutentbrannte Massen auf den Straßen von Hebron und Dschenin. Israels Militär zeigte im Westjordanland schon in den vergangenen Monaten wenig Zurückhaltung, immer wieder sterben dabei auch Kinder. Das wiederum treibt den Terrorgruppen willige Kämpfer in die Arme.
Wie ist die Lage im Gazastreifen?
In Gaza sterben immer mehr Menschen an Unterernährung, weil die Hilfslieferungen bei Weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Ein paar Dutzend Israelis wollten am Donnerstag zur Grenze nach Gaza fahren, ihre Autos vollbepackt mit Konserven, Reis, Babywindeln und Medikamenten. Die Organisation, eine gemeinsame Initiative von Juden und Arabern, wollte selbst etwas gegen den Hunger in Gaza tun und startete einen Hilfskonvoi zum Grenzübergang Kerem Schalom. Dort wurden sie jedoch von der Armee gestoppt.
Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl
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Das Vorgehen Israels stößt auch bei Verbündeten zunehmend auf Kritik. US-Präsident Biden nennt die Lage der Menschen in Gaza „verzweifelt“. Israel habe das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen, sagt auch Kanzler Scholz in einem am Sonntag veröffentlichten Video. „Dabei ist auch klar, dass Israel sich an die Regeln des Völkerrechts zu halten hat und Zivilisten schonen muss“, mahnt Scholz. Die EU hat Israel wiederholt aufgerufen, weitere Grenzübergänge in den Gazastreifen zu öffnen, um Lieferungen zu den Bedürftigen im Norden Gazas bringen zu können – bisher vergeblich.
Die USA und die EU greifen nun zu anderen Mitteln, um die humanitäre Hilfe aufzustocken: Über den Seeweg sollen von Zypern aus Hilfslieferungen zum israelischen Hafen Ashdod und von dort aus nach Gaza gebracht werden. Wie die maritimen Transporte in Gaza andocken und dort verteilt werden sollen, ist unklar.
Wie will Deutschland helfen?
Scholz unterstützt den maritimen Hilfskorridor. „Deutschland hilft bei der Versorgung, indem wir Lebensmittel, Medikamente und andere Hilfsgüter in den Gazastreifen schicken“, sagte der Kanzler in der Videobotschaft anlässlich des Ramadanbeginns. „Und es muss noch viel mehr dieser Hilfe nach Gaza gelangen.“ Wie die Hilfe konkret aussehen wird, ist noch offen. Geprüft wird etwa ein Einsatz der Bundeswehr.
„Dass Deutschland sich an der Seebrücke zur Versorgung der Menschen in Gaza beteiligen wird, ist gut, richtig und notwendig“, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Wolfgang Hellmich dieser Redaktion. „Eine Prüfung der Möglichkeiten der Unterstützung, sei es zivil oder durch die Bundeswehr, sollte baldigst vorgenommen werden, damit die Umsetzung einer Operationsplanung zügig angegangen werden kann.“
Wie kann noch mehr Hilfe nach Gaza gelangen?
Die USA sind bereit, viel Geld in den Bau eines schwimmenden Hafens im Süden des Gazastreifens zu stecken, damit dort Hilfsschiffe anlegen können. Die Errichtung des rund 500 Meter langen Piers wird nach US-Angaben aber rund zwei Monate dauern. Kritiker halten die Pläne zur Versorgung der Menschen in Gaza über das Meer für wenig durchdacht. Schon bei den Landtransporten führen Chaos, Bandenkriminalität und die wachsende Verzweiflung der Hungernden dazu, dass die Hilfslieferungen oft gestürmt werden, bevor sie zur richtigen Adresse gebracht werden können.
„Wenn die Kämpfe andauern, wenn die Menschen verzweifelt sind, wenn Gesetzlosigkeit zunimmt, dann wird es für uns immer schwerer, Hilfslieferungen zu empfangen und sicher zu verteilen“, sagt die UN-Wiederaufbaukoordinatorin für Gaza, Sigrid Kaag. Die Menschen im Norden Gazas gehen daher zumeist leer aus, Hunger und Medikamentenmangel sind hier besonders ausgeprägt. Michael Fakhri, UN-Sonderberichterstatter für Ernährungssicherheit, nennt einen Seekorridor und Paketabwürfe aus der Luft ineffizient. Sie seien in Konflikten daher immer „die allerletzte Wahl“.