Berlin. Aktien, Sozialabgaben, Steuergelder: Die Minister Heil und Lindner wollen das Rentenniveau stabilisieren – doch Sozialverbände warnen.
Wie entwickeln sich die Renten – und wie wird das System in Zukunft finanziert? Monatelang hat die Ampel-Koalition um ein neues Reformpaket für die gesetzliche Rentenversicherung gerungen, das zumindest teilweise Antworten auf diese Fragen geben soll. Am Dienstag (5. März) wollen Arbeitsminister Hubertus Heil(SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ihre Pläne vorstellen. Wir erläutern, worum es geht.
Rentenreform: Was hat die Ampel vor?
Das neue Rentenpaket verfolgt zwei Ziele: Zum einen soll das sogenannte Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent gesichert werden. Zum anderen will die Koalition eine neue Finanzierungssäule für die gesetzliche Rentenversicherung schaffen. Das gesamte Rentensystem gerät durch die ungünstige demografische Entwicklung zunehmend unter Druck.
„Jetzt ist es an der Zeit, die Weichen langfristig zu stellen, damit sich alle Generationen auf eine stabile Rente verlassen können“, sagte Heil unlängst im Interview mit unserer Redaktion. Ein erstes Rentenpaket hatte die Koalition kurz nach der Regierungsübernahme im Jahr 2022 auf den Weg gebracht, damals ging es um Änderungen bei der Rentenberechnung und Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner. Die Pläne für das zweite Paket gehen jetzt zunächst in die Abstimmung mit den anderen Ministerien.
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Worum geht es bei der Sicherung des Rentenniveaus?
SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass das Mindestrentenniveau von 48 Prozent „dauerhaft“ gesichert werden soll. Tatsächlich ist aber geplant, dies zunächst bis zum Jahr 2039 zu tun. Zurzeit ist das Niveau nur bis 2025 festgeschrieben. Würde die Haltelinie nicht verlängert, dann würde in Zukunft die Entwicklung der Renten der allgemeinen Lohnentwicklung noch stärker hinterherhinken. Das Rentenniveau ist eine wichtige Kennzahl in der Sozialpolitik.
Es beschreibt die Rente eines fiktiven Standardrentners: Wer 45 Jahre lang immer exakt so viel verdient hat wie der Durchschnitt der Beschäftigten, erhält X Prozent des dann geltenden Durchschnittslohns als Altersrente – in diesem Fall also mindestens 48 Prozent. Viele Arbeitnehmer denken, dass sie beim Eintritt in den Ruhestand automatisch mindestens 48 Prozent ihres letzten Einkommens als individuelle Rente bekommen. Das ist aber falsch: Die tatsächliche Höhe der Rente richtet sich danach, wie viel Geld man im Laufe seines Arbeitslebens verdient und wie viele Beiträge man abgeführt hat.
Wie kann der Staat das Rentenniveau sichern?
Er wird mehr Geld mobilisieren müssen – entweder durch eine Anhebung der Beitragssätze für die Rente, mehr Mittel aus der Staatskasse oder eine Kombination aus beidem. Bereits jetzt wendet der Bund jedes Jahr rund 100 Milliarden Euro für die Rente auf. Der Beitragssatz liegt aktuell bei 18,6 Prozent des monatlichen Bruttolohns – wobei Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils die Hälfte tragen. Arbeitsminister Hubertus Heil machte kürzlich im Gespräch mit dieser Redaktion deutlich, dass grundsätzlich mit steigenden Abgaben für die Rente zu rechnen sei.
Die Ampel werde dafür sorgen, „dass der Beitragssatz in Zukunft nicht zu stark ansteigt“. Im jüngsten Rentenbericht der Bundesregierung hatte es geheißen, dass der Beitragssatz bis 2027 stabil bleiben könne und danach bis 2030 auf 20,2 Prozent und später auf 21,1 Prozent steigen werde. Die jüngsten Reformpläne sind dabei aber noch nicht berücksichtigt. Das gleiche gilt für den Beschluss der Ampel, den Bundeszuschuss an die Rentenkasse behutsam zu reduzieren.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) rechnete unlängst vor, dass bei der geplanten Stabilisierung des Rentenniveaus gegenüber den bisherigen Annahmen Mitte des kommenden Jahrzehnts 34 Milliarden Euro im System fehlen werden. Das Grundproblem besteht darin, dass immer mehr Rentnern immer weniger Beitragszahler gegenüberstehen. Also kommt es auch darauf an, möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen und zu Beitragszahlern zu machen.
Dank der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt der vergangenen Jahre ist der Beitragssatz seit 2018 unverändert. In den zwei Jahrzehnten zuvor war er stets höher. 1998 und 1999 erreichte er den bisher höchsten Wert von 20,3 Prozent.
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Kann der Staat neue Finanzquellen für die Rente erschließen?
Ja, und das hat er mit dem neuen Rentenpaket auch vor. Geplant ist der Aufbau eines sogenannten „Generationenkapitals“. Vom Begriff „Aktienrente“ hat die Regierung inzwischen Abstand genommen. Konkret ist vorgesehen, einen Fonds auf die Beine zu stellen, in den jedes Jahr öffentliches Geld fließt. Finanzprofis sollen den Fonds verwalten und das Vermögen durch eine kluge Anlage am Kapitalmarkt vermehren. Starten soll das Ganze in diesem Jahr mit einer ersten Einzahlung von zwölf Milliarden Euro. Dafür will Finanzminister Lindner neue Schulden aufnehmen.
Bis 2035 soll der Fonds ein Volumen von 200 Milliarden Euro erreichen. Geplant ist, ab dann die jährlichen Kapitalerträge in die Rentenversicherung zu leiten und damit zumindest den Anstieg der Beitragssätze zu dämpfen. Wenn es gut läuft, kann das einen halben Prozentpunkt ausmachen. Die FDP würde am liebsten noch weiter gehen und Beitragsmittel der Versicherten an den Finanzmärkten anlegen lassen, woraus auch individuelle Ansprüche entstehen könnten. Das wäre dann eine richtige „Aktienrente“. In anderen Ländern sind solche Systeme längst etabliert. Allerdings ist dieser Ansatz in der Koalition nicht mehrheitsfähig.
Was sagen Sozialverbände?
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sagte dieser Redaktion: „Aus dem Generationenkapital darf nicht doch eine Aktienrente durch die Hintertür werden. Das heißt: aus unserer Sicht dürfen keine Beitragsmittel in das Generationenkapital fließen.“ Außerdem müsse unbedingt vermieden werden, dass das Generationenkapital und dessen Erträge auf den Bundeszuschuss oder die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung angerechnet werden.
Wichtig sei zudem, dass bei der Stabilisierung des Rentenniveaus ein langer Zeitraum festgeschrieben wird. Auch der Paritätische Gesamtverband ging auf Distanz zu den Plänen für ein Generationenkapital. „Aktien auf Pump zu kaufen, bringt kaum Rendite und ist extrem risikoreich. Die gesetzliche Rentenversicherung ist denkbar ungeeignet, um damit an der Börse zu spekulieren“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.
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