Düsseldorf. Angriff auf die Arbeitszeit: Es gärt unter Polizistinnen und Polizisten. Aber sollten sie mehr Rechte haben als andere Beamte?

Der Streit in der NRW-Polizei um Überstunden spitzt sich zu. Es sei „unverschämt“ von der Landesregierung, den Beamtinnen und Beamten die Möglichkeit zu nehmen, Überstunden aufzuschreiben, kritisierte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, gegenüber dieser Redaktion.

Überstunden bei der Polizei: Schiebt NRW die Schuld auf den Landesrechnungshof?

Der Landtag beschäftigt sich in dieser Woche gleich zweimal mit dem Überstundenverfall bei der Polizei. Der Streit entbrannte Anfang Februar nach einer „Rundverfügung“, in der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) klarstellte, dass fünf Stunden Mehrarbeit pro Monat laut dem Landesbeamtengesetz unter die „Bagatellgrenze“ fallen und nicht angerechnet werden dürfen. Dieses Detail im Gesetz ist schon sehr alt, allerdings sei es abweichend davon seit 24 Jahren „gängige Praxis“ gewesen, im Rahmen eines Verfallschutzes Überstunden eben doch gutschreiben zu lassen, so die GdP.

„Es ist unzeitgemäß, dass sich Polizeibeamte erst nach der fünften Überstunde Mehrarbeit aufschreiben dürften“, sagt Michael Mertens, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW.
„Es ist unzeitgemäß, dass sich Polizeibeamte erst nach der fünften Überstunde Mehrarbeit aufschreiben dürften“, sagt Michael Mertens, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Die Gewerkschaft fordert den Minister auf, die Polizei von der Bagatellgrenzen-Regel auszunehmen. Schließlich sei die Anordnung von Überstunden bei der Polizei häufiger als in anderen Beamtenberufen, und die Belastung werde durch den seit dem 7. Oktober 2023 verschärften Objektschutz für jüdische Einrichtungen, durch Bauern- und Fußball-Fanprotest sowie die anstehende Fußball-EM noch größer. Es sei „unzeitgemäß“, dass sich Polizeibeamte erst nach der fünften Überstunde Mehrarbeit aufschreiben dürften.

Auch zu Silvester und Karneval mussten viele Polizistinnen und Polizisten Mehrarbeit leisten.

Überstunden bei der Polizei: Was frustrierte Beamte im „Ministerblog“ schreiben

Der Unmut unter den Polizistinnen und Polizisten ist groß, wie der Blick in einen polizeiinternen „Ministerblog“ zeigt. Reul begründet in seinem Blog den Umgang des Landes mit der Mehrarbeit damit, dass der Landesrechnungshof auf die konsequente Anwendung des Beamtengesetzes inklusive „Bagatellgrenze“ dringe. Der Rechnungshof habe zudem die bisherige Praxis des Verfallschutzes von Überstunden „nicht mehr durchgehen lassen“.

Die Reaktionen der Beamten auf die Worte des Ministers fallen teils sehr harsch aus. „Hier geht es um Wertschätzung“, heißt es in einem Kommentar. Ein anderer kritisiert, die Bagatellgrenze sei eine „Arbeitszeiterhöhung durch die Hintertür“. Die Polizei sei anders als andere Behörden, so eine der Reaktionen. „Wären wir wie andere Behörden, würden wie nicht spontan innerhalb von 48 Stunden eine Demo begleiten können. Wir würden nicht nachts zur Leiche oder anderen Tatorten fahren.“

Ist die Halbierung der Überstunden bei der Polizei nur ein Etikettenschwindel?

Herbert Reul schreibt in dem Blog, dass seit 2017 die Zahl der Überstunden bei der Polizei rückläufig sei. Insgesamt sei sie seitdem um rund zwei Millionen gesunken. „Diesen Weg will ich weiter gehen“, schreibt der Minister.

Michael Mertens kontert das Argument so: „Die Halbierung der Mehrarbeit zwischen 2016 und heute, die Reul so lobt, ist ein Etikettenschwindel. Die Überstunden sind nicht weniger geworden, sie stehen jetzt nur auf drei Konten: dem Konto für Mehrarbeit, dem für sonstige Überstunden und neuerdings auch auf dem Langzeitarbeitskonto.“

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