Berlin. Israel hat sich zu einem Krieg provozieren lassen, der im Interesse der Hamas liegt. Was ein Gasfeld vor Gazas Küste damit zu tun hat.
Eine der häufigsten und plausibelsten Erklärungen für den Angriff der Hamas am 7. Oktober lautet, die Terrororganisation habe eine Annäherung zwischen der arabischen Welt und Israel hintertreiben wollen. Sie passte ihr politisch nicht ins Konzept.
Tatsächlich schien im Sommer sogar ein Abkommen mit Saudi-Arabien in Reichweite. Die Hamas warf diese diplomatischen Bemühungen um Jahre zurück, als sie Israel eine Eskalation aufzwang. Kurzum: Es sollte keine „Deals“ ohne oder gar gegen die Hamas geben. Bisher hat man den Konflikt vor allem politisch erklärt. Aber was ist, wenn man Deal wörtlich nimmt, als Geschäft?
Die wenigsten Kriege sind monokausal zureichend erklärbar. Meist spielen mehrere Gründe eine Rolle, nicht selten: wirtschaftliche Überlegungen. In dieser Krisenregion denkt man unwillkürlich an Gas und Öl. Und tatsächlich wecken sie auch in Gaza Begehrlichkeiten. Genauer: Ein Offshore-Gasfeld vor Libanon und weitere vielversprechende Felder an der Gaza-Küste. Fast 30 Milliarden Kubikmeter Gas sollen dort lagern.
Warum die Hamas leer auszugehen drohte
Vor dem Krieg war Israel kurz davor, sie mit Ägypten und der palästinensischen Autonomiebehörde zu erschließen. Wohlgemerkt: Ohne die Hamas. 2000 hatte die Gruppe „British Gas“ (BG) die Felder „Marine 1“ und „Marine 2“ 35 Kilometer vor der Küste von Gaza entdeckt. Die Palästinensische Autonomiebehörde vergab an sie den Zuschlag für die Förderungslizenz, die später an die Shell überging. Im Februar 2021 war sich die Palästinenserbehörde aus dem Westjordanland mit der ägyptischen Naturgas-Holdinggesellschaft (EGAS) dann handelseinig geworden.
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Prompt erklärte die Hamas, das Gasvorkommen gehöre dem palästinensischen Volk, vor allem den Einwohnern Gazas. Sie hätten „ein volles Recht, von den natürlichen Ressourcen zu profitieren“. Man werde es Israel nicht erlauben, „das Gasvorkommen für erpresserische Ziele zu missbrauchen“. Und die Palästinenserbehörde aus dem Westjordanland sei auch nicht qualifiziert, die Befugnis über das Gas zu erhalten, „da sie in Fälle von Korruption, Geldverschwendung und Fehlverhalten verwickelt ist“.
Hält sich die Hisbollah aus finanziellen Gründen zurück?
Ökonomisch kann man auch besser verstehen, warum die Hisbollah im Libanon bislang keine weitere Front gegen Israel eröffnet hat. Ihre Solidarität mit der Hamas beschränkt sich auf sporadische Raketenangriffe auf das Grenzgebiet. Das scheint das rigorose Minimum an Solidarität einer Organisation zu sein, die in Wahrheit über eine beachtliche Feuerkraft verfügt. Wie erklärt sich die relative Zurückhaltung der Hisbollah?
Frankreich vermittelte eine Verständigung über eine Seegrenze zwischen Libanon und Israel. Daraufhin brachte ein Konsortium aus TotalEnergies (Frankreich), ENI (Italien) und der staatlichen QatarEnergy eine Bohrinsel von Norwegen in den Nahen Osten. Gut möglich, dass auf neuen Feldern genauso viel Gas gefördert werden kann wie auf dem Karish-Feld – wo die Förderung nach dem Krieg gestoppt wurde –, das Israel zugesprochen wurde.
Aussicht auf Profit größer als Solidarität mit der Hamas
Die Hisbollah hat mithin die Alternative, entweder Israel zu bekämpfen oder Planungssicherheit für Investoren zu schaffen, Geld zu verdienen und der Bevölkerung zu zeigen, dass sie etwas für den Libanon erreiche. Joseph Daher glaubt, dass der Hisbollah die eigenen Interessen wichtiger sind. Der Nahost-Wissenschaftler hat ein Buch über die politische Ökonomie der Hisbollah geschrieben.
Nach dieser Logik wird sich die Hisbollah eher zurückhalten, solange die Aussicht auf eine wirtschaftliche Dividende real ist. Und sie wird umgekehrt eher gegen Israel zuschlagen, falls sich herausstellen sollte, dass die Felder so lukrativ nicht sind.
Ein Lehrstück über Geopolitik, ökonomisch erklärt?
Israel exportiert Erdgas via Ägypten, dank einer Pipeline. Der Rohstoff wird im Nachbarland verflüssigt und verschifft. Werden neue Felder erschlossen, kämen neben den Ölgesellschaften weitere Profiteure in Betracht: Israel, die Palästinenserbehörde, der Libanon und dort nicht zuletzt die Hisbollah. Nur die Hamas in Gaza – sie ginge leer aus. Mit dem Krieg hat sie alle laufenden Projekte und Investitionspläne blockiert, einschließlich die Annäherung von Israel und Saudi-Arabien.
Die hatte einen größeren Förderer: US-Präsident Joe Biden. Die USA hätten damit Chinas Zugänge zur Arabischen Halbinsel und zum Mittelmeerraum begrenzt. Bis der 7. Oktober kam und die Hamas Israel herausforderte. Sind die Israelis im Affekt in eine Falle der Terrororganisation getappt? Man kann den Gaza-Krieg letztlich auch als Lehrstück über die Macht der Ökonomie „lesen“.
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