Berlin. Robert Habeck richtet sich mit einem Appell gegen Antisemitismus an die Öffentlichkeit. Als Schadensbegrenzung in den eigenen Reihen?
Staatstragend erobert Robert Habeck die mediale Bühne. In einem vom Wirtschaftsministerium auf X, ehemals Twitter, verbreiteten Video spricht der Vizekanzler über neun Minuten Klartext zum Nahost-Konflikt. „Es war die Generation meiner Großeltern, die jüdisches Leben in Deutschland und Europa vernichten wollte“, so der Wirtschaftsminister mahnend. „Der Satz ,Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson‘ war nie eine Leerstelle und darf auch keine werden“, führt Habeck aus und lässt in Tonalität und Gestik keinen Zweifel an seiner uneingeschränkten Solidarität mit dem kriegsgeplagten Land erkennen.
Damit reiht sich Habeck als Vizekanzler prominent in den Kreis der Grünen-Führungsriege ein, die seit dem Angriff der Hamas auf Israel eindeutig Position bezieht. So sagte etwa Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dem Antisemitismus hierzulande in einem Gastbeitrag für den „Stern“ den Kampf an: „Wenn wir sagen, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz haben darf, dann müssen wir dem Taten folgen lassen.“ Und Parteivize Omid Nouripour sagt gegenüber dieser Redaktion, dass die Benennung von Judenhass eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei.
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Habeck möchte die Diskussion „entwirren“
In Deutschland wirkt die Partei damit nach außen hin geschlossen – während Vertreter internationaler grüner Milieus zuletzt mit antisemitischen Ressentiments für Aufregung gesorgt hatten. Die Speerspitze der Entrüstung bildete die schwedische Klimaikone Greta Thunberg, die in einem Instagram-Post dem jüdischen Staat vorwarf, ein „Apartheid-System“ gegen die palästinensische Bevölkerung zu betreiben.
Habeck fängt in seiner Rede diese Position ein. „Entwirren“ möchte er eine aufgeheizte Debatte und benennt neben islamistischen Demonstrationen und Restextremisten auch die Sorge vor Antisemitismus in Teilen der politischen Linken – „und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten“.
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Habeck richtet Rede auch an eigene Klientel
Der Vizekanzler ruft damit Teile der politischen Linken zur Ordnung – also auch solche, die klassischerweise die grüne Partei wählen. „Innerhalb der Grünen gibt es vermutlich immer noch einen Bodensatz an Anhängerinnen und Anhängern, die pro-palästinensische Positionen vertreten“, analysiert der emeritierte Politikwissenschaftler Lothar Probst gegenüber dieser Redaktion. Habeck wollte damit nach innen und außen ein Zeichen setzen, dass diese Position nicht akzeptabel sei.
„Insofern richtet sich seine Rede natürlich auch sehr stark an die Grünen intern.“ Das Problem seien Bremser innerhalb der Mitgliedschaft. „Vor allem im Funktionärskörper, aber auch unter neuen jungen Mitgliedern, sind wahrscheinlich nicht wenige, die stille oder versteckte Sympathien mit den Palästinensern haben.“ Zwar verurteilen diese auch den Angriff der Hamas. Dennoch schwingen in der Unterscheidung zwischen Hamas und dem Vorgehen Israels „gewisse Unschärfen“ mit.
„Die Parteiführung will angesichts eines für die Grünen schwierigen Umfeldes sicherlich verhindern, dass das Thema in der Partei hochkocht und weitere Sympathien kostet“, so Probst. Bislang sind in der öffentlichen Debatte anti-israelische Stimmen aus den Reihen den Grünen auch rar gesät. Etwa die Grüne Jugend, deren Altersstufe Habeck anspricht, fand zu dem grausamen Anschlag in ihrem Antrag „Solidarität mit Israel – Islamismus und Antisemitismus stoppen!“ klare Worte. Das deutsche Gesicht von Fridays for Future, Luisa Neubauer, bedankte sich zudem unter dem Post bei Vizekanzler Habeck für seine Rede.
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Global ist linker Antisemitismus ein größeres Problem
Während die Grünen bei der Israel-Frage mit Habecks Positionierung geschlossen wirken, zeigen linke Bewegungen international aber ein ganz anderes Gesicht. „Es wäre falsch zu sagen: Die ganze Linke ist antisemitisch“, sagt der Antisemitismusforscher Stephan Grigat vom Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien in Aachen gegenüber dieser Redaktion. „Aber es gibt eine lange Tradition von antisemitischen und israelfeindlichen Strömungen.“ Gerade bei jüngeren Leuten, wie etwa Anhängern von Fridays for Future oder Studierenden, seien gewisse Formen des Postkolonialismus besonders vorherrschend, bei dem Israel als Kolonialmacht bezeichnet wird. „Das ist natürlich Unsinn.“
In Deutschland seien antiisraelische Veranstaltungen noch relativ klein – auch im Vergleich zu vergangenen Jahren. In anderen europäischen Großstädten ist die Dimension eine ganz andere. „Sowohl in Großbritannien als auch in den USA gibt es in akademischen Milieus nicht nur eine israelfeindliche, sondern eine antijüdische Stimmung.“ Davon sei Deutschland noch weit entfernt. „Das muss aber nicht so bleiben und – es geht darum, jetzt dagegenzuhalten.“
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