Berlin. Schräger Eindruck, aber eine richtige Entscheidung: Warum das Treffen des Kanzlers mit dem Emir von Katar gerade jetzt so wichtig war.
Da hat der Kanzler einiges zu erklären: Erst versichert Olaf Scholz im Bundestag, Deutschland stehe nach dem Terrorangriff der Hamas fest an der Seite Israels, seine Sicherheit sei deutsche Staatsräson. Drei Stunden später empfängt der Regierungschef den Emir von Katar zum Mittagessen – jenen autoritären Herrscher, der die Hamas-Terroristen mit Millionen-Geldern finanziell unterstützt hat, ihren Führern Unterschlupf bietet und nach dem barbarischen Überfall auch noch Israel für die Eskalation der Gewalt verantwortlich machte. Wie passt das zusammen?
Die Empörung kam prompt. Das Treffen sei das völlig falsche Signal, erklären Unionspolitiker, Scholz hätte den Emir rauswerfen müssen. War es ein Fehler, Scheich Tamim zu empfangen? Nein. Scholz durfte nicht nur mit dem Emir reden, er musste es sogar – so wie es auch der Bundespräsident tat.
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Eine Absage wäre unverantwortlich gewesen, einen besseren Termin hätte Scholz gar nicht finden können: Ganz kurzfristig wird Katar eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln spielen – einschließlich der entführten Deutschen, um die sich der Kanzler unter großem Zeitdruck bemüht. Vor Scholz hat bereits die US-Regierung den Emir wieder einmal um Vermittlung gebeten. Washington pflegt sehr enge Beziehungen zu Katar – wohl wissend, dass der Mini-Golfstaat gleichzeitig auch Terrororganisationen wie die Hamas oder Hisbollah unterstützt. Der Emir hat dank seiner Gas-Milliarden ein dichtes globales Netzwerk aufgebaut und spielt eine erfolgreiche Rolle als Vermittler in vielen Konflikten.
Die Hilfe hat nicht nur Deutschland, sondern auch Israel schon in Anspruch genommen. Tel Aviv hat sogar Katars Milliardenzahlung an die Hamas zeitweise gebilligt in der Hoffnung, dass Ruhe einkehrt im Gazastreifen. Vor diesem Hintergrund hat Scholz richtig entschieden, das lange geplante Arbeitstreffen nicht abzusagen. So war Scheich Tamims Besuch eine Lehrstunde, zu welchem Balanceakt deutsche Außenpolitik in der neuen Weltunordnung geworden ist. Und wie wenig moralisierende Schwarz-Weiß–Urteile Deutschland noch weiterhelfen, wenn es seine Interessen wahren will.
Es kommt ja hinzu: Der Golfstaat ist maßgeblicher Aktionär bei VW, Siemens und der Deutschen Bank und soll uns jetzt mit seinem Flüssiggas aus der Patsche helfen. Willkommen in der Wirklichkeit: Auch mit schwierigen Autokraten muss die Regierung Kontakte pflegen, gerade in dieser internationalen Krisenlage – wenn das führende CDU-Politiker zum Skandal erklären wollen, stellen sie nur die Regierungsfähigkeit der Union infrage. Nur muss dabei klar sein: Kuscheln geht nicht! Klare Haltung ist in solchen Gesprächen gefragt. An Katar ist unmissverständlich die Forderung zu richten, dass es alles tut, den Terror zu stoppen und einen Flächenbrand in Nahost zu verhindern.
Der Kanzler steht nicht in Verdacht, sich zu ducken – er hat im Bundestag klare Worte gefunden. Trotzdem wäre es besser gewesen, Scholz hätte gemeinsam mit dem Gast aus Katar auch die übliche Pressekonferenz absolviert. Man hätte gern gehört, was der Emir jetzt zu dem Terrorangriff auf Israel sagt – und wie der Kanzler darauf reagiert. Das hat Scholz seinem Gast erspart. Warum eigentlich? Gespräche ausschließlich hinter verschlossenen Türen mögen üblich sein bei den Autokraten in Doha, Peking oder Moskau – aber doch nicht in Berlin, wo Pressekonferenzen zu jedem Staatsbesuch gehören. So viel Zeit muss sein, so viel Konsequenz des Kanzlers auch.
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