Moskau. Er rebellierte offen gegen Putin. Jetzt ist er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Wer war der Chef der Wagner-Armee?
- Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin war einst Putins wichtigster Verbündeter
- Nach einem Putschversuch fiel der Söldner-Führer in Ungnade
- Jetzt ist er bei einem Flugzeug-Absturz gestorben – zwei Monate nach seinem Aufstand
In Russland war er lange nur bekannt als "Putins Koch", dann wurde er zu einem mächtigen Warlord – und für den Kreml-Chef zu einer ernsten Gefahr: Nun ist der Chef der Sölder-Gruppe Wagner bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Womöglich wurde er getötet.
Jewgeni Prigoschin und Wladimir Putin kennen sich aus Sankt Petersburg. Als Putin noch in der Stadtverwaltung arbeitete, soll er öfters in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Prigoschin hatte später im Gefängnis gesessen und danach Karriere als Hoflieferant für den Kreml gemacht. Später, als Putin Präsident wurde, richtete Prigoschins Catering-Firma Staatsbankette für ihn aus. Unter den Gästen waren unter anderem der damalige US-Präsident George W. Bush und Frankreichs Staatsoberhaupt Jacques Chirac.
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Er soll auch der Geschäftsmann hinter den Trollfabriken in St. Petersburg gewesen sein, die über soziale Netzwerke Einfluss auf westliche Länder zu nehmen versuchten.
Später handelte Prigoschins Armee, die Söldnergruppe "Wagner", wie eine eigene militärische Macht in Russland. "Ich kann sagen, dass die private Militärfirma "Wagner" heute eine der entscheidendsten Rollen in der Zone der militärischen Spezialoperation spielt", teilte Prigoschin Anfang des Jahres auf Telegram mit.
Dabei trat der 62-Jährige immer offensiver auf. Mal zeigte er sich im Kriegsgebiet, mal kritisierte er die russische Militärführung – dann suchte er die Eskalation mit der Militärführung in Moskau, mit Putin, pfiff seine Söldner wenig später aber zurück.
Jewgeni Prigoschin: Starb der Wagner-Chef bei einem Flugzeugabsturz?
In Ungnade gefallen, wurde ein Teil der Söldnergruppe nach Belarus verlegt. Zu hören war von Prigoschin seit der Revolte nur wenig. In Russland gab es die letzten viel beachteten Fotos, als er am Rande von Putins Afrika-Gipfel im Juli in St. Petersburg Gespräche führte.
Zwar bestätigte der Kreml, dass sich Prigoschin und Putin nach dem Beinahe-Putsch noch einmal im Kreml trafen. Aber Beobachter erinnerten daran, dass Putin öffentliche Bloßstellung wie durch Prigoschin niemals vergibt.
Nun könnte Putin seine Rache geübt haben. Am 23. August stürzte ein Privatflugzeug in Russland ab – an Bord soll sich der Wagner-Chef befunden haben. Bestätigt ist das nicht, bislang gibt es nur Berichte russischer Agenturen und eine Meldung in Prigoschins Telegram-Kanal Greyzone. Demnach ist Jewgeni Prigoschin tot.
Ob der Kreml dahintersteckt, oder es sich um einen Unfall handelt: unklar. Allerdings gibt es Berichte über Flugabwehr, die kurz vor dem Absturz zu hören gewesen sein soll. Und der Zeitpunkt des Absturzes spricht ebenfalls Bände: Auf den Tag genau zwei Monate ist es her, dass der Söldner-Führer den mächtigen Mann im Kreml herausgefordert hat.
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Ukraine: Konflikt zwischen Verteidigungsministerium und "Wagner"-Leuten?
Bis zu seinem Aufstand ließ Putin den Wagner-Chef lange schalten und walten, als hätte Prigoschins Schattenarmee längst alleine das Zepter der Macht in der Hand. Dabei behauptete Putin in der Vergangenheit stets, der russische Staat habe nichts mit der "Wagner"-Gruppe zu tun. In der Ukraine kämpften Prigoschins Soldaten bislang an vorderster Front – brutal im Vorgehen, Deserteure aus den eigenen Reihen wurden grausam hingerichtet.
Prigoschins bislang größter militärischer Erfolg war die Eroberung der Stadt Bachmut nach monatelangen blutigen Kämpfen. Diese verkündete er als Erster, erst darauf bestätigte dies auch das russische Verteidigungsministerium. Später übergab er die Kontrolle an die russische Armee. Doch der Bruch mit der Militärführung war längst offenkundig. In teils rasender Wut beschimpfte Prigoschin den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu für alle öffentlich in Telegram-Videos. Der Aufstand seiner Wagner-Söldner ist nun der Höhepunkt dieses lange schwelenden Konflikts.
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Schon zuvor hatte Prigoschin sich über Versuche beklagt, die Rolle seiner Kämpfer und ihre Leistungen zu schmälern. Das Verteidigungsministerium gab teilweise nach, indem es das "mutige und selbstlose Handeln" der "Wagner"-Kämpfer pries. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestritt immer wieder, dass es einen Konflikt zwischen Ministerium und den "Wagner"-Leuten gebe. Es sei eine Erfindung der Medien, so Peskow. Russland erkenne beide als Helden an, und "beide werden für immer in unserem Gedächtnis bleiben". Doch der jüngste Versuch Schoigus, die Privatarmeen – und damit auch Wagner – unter Vertrag zu nehmen, war ein weiterer Schritt, der zur Eskalation führte. Denn es hätte faktisch eine Entmachtung Prigoschins bedeutet.
Wagner-Gruppe: Die wohl mächtigste Privatarmee der Welt
Führender Kopf der Söldnertruppe war, neben Prigoschin, auch Dmitri Utkin. Er bewundert den von den Nazis hoch geschätzten Komponisten Richard Wagner. Nach seiner Karriere im russischen Militärgeheimdienst GRU soll Utkin von 2014 an aus Veteranen von Spezialeinheiten eine schnelle Eingreiftruppe unter dem Kampfnamen "Wagner" gegründet haben. Unter der Führung von Prigoschin hat sie sich zur wohl mächtigste Privatarmee der Welt entwickelt, eingesetzt bereits an vielen Orten der Erde.
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Nach US-Schätzungen sind in der Ukraine 50.000 "Wagner"-Söldner im Einsatz gewesen, darunter 40.000 Strafgefangene. In Russlands Straflagern ging Prigoschin ein und aus, um dort Verurteilte in den Krieg zu locken – mit dem Versprechen, sie bekämen nach Ende ihres Dienstes die Reststrafe erlassen. Prigoschin konnte eigenmächtig und ohne Rechtsgrundlage agieren. Der Kreml schaute zu.
Frühere Anzeichen für Putins zunehmenden Kontrollverlust
Das von Journalisten-Organisationen gegründete internationale OCCRP-Recherchenetzwerk zur Organisierten Kriminalität und zu Korruption wählte Prigoschin zur "Person des Jahres". Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) beschäftigt sich immer wieder mit Prigoschin und seinem möglichen Streben nach einem Amt. Die Denkfabrik wertete ein Interview Prigoschins mit dem russischen Staatssender RT als Versuch, in der Gesellschaft mit markigen Worten und populistischen Ansichten an Ansehen und Einfluss zu gewinnen. So schlug er etwa vor, Russlands Milliardären alles zu nehmen, damit sie sich für den Krieg engagieren.
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Experten werteten Prigoschins wachsenden Einfluss nicht zuletzt als Anzeichen für einen Kontrollverlust Putins, der als Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte letztlich auch für die Vielzahl an Niederlagen in dem Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht wird. Auch Ambitionen bei der Präsidentenwahl in gut einem Jahr wurden ihm nachgesagt. Die Angst vor einem allmächtigen Prigoschin schweißte die Eliten Russlands lange Zeit zusammen –"Putins Koch" hatte ihnen ganz offen den Krieg erklärt.
Prigoschin selbst dementiert stets, dass er in die Politik strebe. "Meine Aufgabe ist es, die Pflicht vor dem Heimatland zu erfüllen, und ich plane heute keine Parteien zu eröffnen, geschweige denn in die Politik zu gehen", erklärte er. Ein politisches Amt wäre ihm auch zu wenig, so sieht es der Politikwissenschaftler Alexei Makarkin. "Keine öffentliche Position, nicht einmal die Position des Verteidigungsministers, deckt alle Interessen von Prigoschin ab."
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