Düsseldorf. Die Impfkampagne müsse jetzt vorbereitet werden, fordern Experten. Dabei rücken Senioren wieder in den Fokus – wenige haben den zweiten Booster.
Mediziner in NRW ermahnen die Landes- und die Bundespolitik, zügig Vorkehrungen für eine möglicherweise kritische Corona-Lage im Herbst zu treffen. „Aus Sicht der Praxen erwarten wir ausreichend verfügbare Mengen an Impfstoffen – insbesondere für die seitens der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlenen Gruppen – und vor allem ein besser aufeinander abgestimmtes Zusammenarbeiten von Stiko und Robert-Koch-Institut (RKI) und dem Bundesgesundheitsministerium“, sagte Dr. Frank Bergmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), dieser Redaktion.
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Es dürfe sich nicht wiederholen, dass die Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums sich nicht mit den für die Praxen maßgeblichen medizinischen Empfehlungen der Stiko und des RKI deckten. Die KVNO hält eine Maskenpflicht in Innenräumen im Herbst für „wahrscheinlich“. Sie sollte bei Bedarf auch schnell kommen, so Bergmann.
Eckpunkte für Anti-Corona-Plan: Lauterbach kündigt Vorkehrungen an
„Wir müssen das Infektionsschutzgesetz jetzt anpassen, damit Kommunen und Länder auch Klarheit haben“, sagte Dr. Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Es dürfe nicht erst im Herbst gehandelt werden. Gehle fordert eine offensivere Impf- und Infektionsschutzkampagne. Er erwartet für den frühen Herbst eine „Belastungsphase von wenigen Wochen“, in denen mit neuen Impfstoffen geimpft werde. Gehle glaubt aber, dass die Ärzte dies bewältigen könnten. Schwere Krankheitsverläufe sollten sich bei erfolgreicher Impfkampagne in Grenzen halten.
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Bund und Länder hatten am Donnerstag erste Eckpunkte für einen Anti-Corona-Plan genannt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte Vorkehrungen an. Dazu zählt eine breit angelegte Impfkampagne – möglichst mit an neue Virus-Varianten angepassten Impfstoffen – sowie Schutz für Beschäftigte und Bewohner/Patienten in Pflegeheimen und Kliniken. Die Länder-Gesundheitsminister hatten sich zuvor auf mögliche Instrumente geeinigt, zum Beispiel eine weitreichende Maskenpflicht sowie 2G/3G-Zugangsregeln. Schul- und Kita-Schließungen soll es nicht mehr geben.
Impfstoff-Verfall in Nordrhein-Westfalen: Novavax vergammelt in den Regalen
Zu den Problemen, die in NRW gelöst werden müssen, zählt die noch recht niedrige Quote der Über-60-Jährigen, die eine zweite Booster-Impfung erhalten haben. In NRW sind es etwa 25 Prozent in dieser Gruppe, in den meisten anderen Ländern deutlich weniger. „Das ist ausbaufähig“, sagte Dr. Frank Bergmann. Allerdings sei für die meisten Menschen eine Auffrischungsimpfung jetzt weniger sinnvoll als vor dem nächsten Herbst.
Wegen der geringen Nachfrage müssen viele Impfdosen, die nicht mehr haltbar sind, weggeworfen werden. „Es ist ein Skandal, dass bei uns der Impfstoff verfällt – während in anderen Ländern die Dosen fehlen“, sagt Ärztekammer-Chef Albert Gehle. Auch der Totimpfstoff Novavax, einst Hoffnungsträger für eine höhere Impfquote, vergammle in den Regalen.
Klare Kante, klare Meinung – das ist Klartext, die kommentierende Kolumne von Alexander Marinos, Vize-Chefredakteur der WAZ. Hier finden Sie alle Folgen – und können Klartext als Newsletter abonnieren.