Berlin . Per Tweet den Ukraine-Krieg erklären: 120.000 folgen einem Nischenblogger. Wer verbirgt sich hinter dem Namen “Jomini of the West“?
Es ist schwer, sich ein Bild vom Ukraine-Krieg zu machen. Es fehlt so einiges: Detailansichten der Kämpfe, ungefilterte Informationen, präzise Karten, die erklären, nicht verschleiern. Und doch gibt es solche Nischen.
Auf Twitter sorgt ein Nutzer für Furore, der genau das für eine nicht so kleine Gemeinde leistet. Unter seinen über 122.000 Followern sind der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama und John Spencer, der weltweit anerkannte Experte für urbane Kriegsführung. Beide folgen @JominiW.
Schon der Name – natürlich ein Pseudonym – ist ein Insiderwitz. Oder eine Referenz, auch das. Der Schweizer Antoine-Henri Jomini war ein Militärtheoretiker im 19 Jahrhundert, der Napoleon im Russlandfeldzug folgte und später die Militärakademie in Moskau mitbegründete. Wer aber verbirgt sich hinter dem Pseudonym, ein Militärexperte oder gar ein Insider aus dem Pentagon, dem US-Verteidigungsministerium?
Geoutet hat sich der Blogger nicht. Bei Twitter stellt er sich als "Polemologist" vor – als Kriegsforscher – aus Maryland unweit von der US-Hauptstadt Washington D. C. Der Mann (oder ist es eine Frau?) ist ein Minimalist: Ob bei Karten oder Erklärungen, inhaltlich beschränkt er sich auf das Wesentliche wieder, fein getaktet in eben maximal 280 Zeichen, und optisch mit der Anmutung einer bemalten Briefmarke.
Militärblog: Ukraine-Krieg an Karten präzise erklärt
Die Karten von der Front erstellt er auf der Basis öffentlich zugänglicher Quellen, die er benennt: den Generalstab der Ukraine, Beiträge in den sozialen Netzwerken, offizielle Verlautbarungen. Die Präzision der Darstellung, stellt die "Neue Zürcher Zeitung" fest, sei "unbestritten".
Der letzte Tweet datiert vom 19. April, eine Punktlandung zur neuen Großoffensive von Russlands Präsident Wladimir Putin. Jomini erklärt, wo die russischen Truppen ihre Offensive verstärken, in Severodonetsk, und wo sie einen bedeutenden Durchbruch schaffen können, in der Gegend von Izium; wo ukrainische Gegenaktionen zu erwarten sind und dass die Verteidiger von Mariupol es den Russen nicht leicht machen werden. "Sie werden sie höchstwahrscheinlich zwingen", sagt "Jomini of the West" voraus, "ihre Stellungen zu stürmen, anstatt sich zu ergeben".
Ukraine-Krieg: Zum Verständnis – der Wetterbericht
Man erfährt, dass die Russen 200 Lufteinsätze pro Tag durchführen und der Wettergott es nicht gut mit ihnen meint. Die Zehn-Tage-Vorhersage sagt für den Donbass dichte Wolken, Regenstürme und und Windgeschwindigkeiten von fast 25 Kilometern in der Stunde. Das bedeutet: "Luft- und Artillerieangriffe werden weiterhin eingeschränkt, während starker Regen weiterhin die Bodenbewegungen einschränkt."
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Er verurteilt nicht, erklärt nur, ordnet ein, fügt Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammen. Wann kommt eigentlich der nächste Tweet?
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Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de