Berlin . Der Schlachtbetrieb Tönnies steht in der Kritik. Angeblich beute der Fleischfabrikant mit Jobangeboten Geflüchtete aus der Ukraine aus.
Unmoralisches Angebot, oder echte Hilfe für Geflüchtete? An einer Aktion des Großfleischers Tönnies entzünden sich derzeit die Gemüter. Tönnies hatte Geflüchtete aus der Ukraine Arbeit in seinen Schlachthöfen angeboten. Elf Euro Brutto-Stundenlohn, steuerfreie Zuschläge für Nacht- oder Feiertagsschichten, Weihnachts- und Urlaubsgeld, 24 Tage bezahlter Urlaub, Unterkunft gegen Bezahlung von 254 Euro monatlich.
So steht es auf einem Angebotszettel, der auf Twitter kursiert. In deutscher Sprache wirbt Deutschlands größter Schlachtbetrieb damit in Polen für eine Stelle als Mitarbeitender in der Produktion, im Bereich Convenience Herstellung.
Geflüchtete aus der Ukraine: Vorwurf der Ausbeutung
Der Vorwurf: Tönnies beute Menschen in Not mit diesem Angebot aus. Denn: Geflüchtete befinden sich in einer Ausnahmesituation. "Für die Menschen geht es in erster Linie darum, sich und ihre Angehörigen in Sicherheit zu bringen", sagte etwa Dominique John, Leiter des DGB-Beratungsnetzwerks Faire Mobilität, der "taz".
Auch der freiwillige Helfer Patrick Walkowiak von der Initiative Friends of Medyka klagte im NRD, Geflüchtete befänden sich in einer Extremsituation, könnten die Anwerbeversuche nicht einordnen.
Gehalt entspricht Tönnies-Standards
Eine Gehaltsrecherche zeigt zumindest: Das Angebot entspricht dem, was Tönnies seinen Mitarbeitenden in der Produktion auch unter normalen Bedingungen bieten würde. Im Schnitt wird die Stelle bei Tönnies mit rund 22.000 Euro brutto jährlich vergütet.
Damit bewegt sich das Unternehmen allerdings am unteren Ende der Gehaltsskala. Laut einschlägigen Gehalts- und Jobportalen liegt der Jahresverdienst hier deutschlandweit für vergleichbare Stellen im Schnitt bei gut 32.000 Euro.
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Kein Transport für Menschen mit Kindern?
Der zweite Vorwurf: Tönnies biete nur Einzelpersonen den Transfer nach Deutschland an, Frauen mit Kindern oder ältere Menschen würden nicht berücksichtigt. Dem NDR hatte Unternehmenssprecher Reinkemeier dazu erklärt, nur Geflüchtete, die auch bei Tönnies arbeiteten, dürften in den Dienstwohnungen des Unternehmens wohnen.
Die Gemeinden seien noch nicht soweit, ausreichend Unterkünfte bereit zu stellen. Vereinzelt habe man Frauen mit Kindern zu sich geholt, da "familiengeeignete Unterkünfte auf dem privaten Wohnungsmarkt" gefunden werden konnten. Lesen Sie auch: Sinti und Roma beklagen Rassismus bei Aufnahme von Geflüchteten
Die Flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, macht die Beschränkung des Hilfsangebots auf Einzelpersonen "sprachlos" und nennt die Begründung von Tönnies eine Ausflucht.
Das Unternehmen könne unabhängig von der Frage der Unterbringung Menschen nach Deutschland bringen, wo sie ein Recht auf Unterkunft hätten. Allerdings räumt auch Bünger ein, dass die deutsche Seite angemessene Infrastruktur, vor allem aber "ausreichende Transportmöglichkeiten", bereitstellen müsse.
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Tönnies äußert sich zu Vorwürfen
Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück gibt man sich angesichts der Kritik verschnupft. Man habe Geflüchteten mit Arbeit und Unterbringung helfen wollen, eigens dafür Arbeitsplätze geschaffen. Eigentlich, so heißt es in einem am Donnerstag verbreiteten Statement der Firma, herrsche gerade Einstellungsstopp in den Kernbereichen. Lesen Sie dazu: So soll die Integration von Geflüchteten aus der Ukraine gelingen
Die Initiative sei nach Gesprächen von Firmenchef Clemens Tönnies mit Geflüchteten vor Ort entstanden. Die Menschen hätten geschildert, sie wollten schnell Arbeit finden, Geld verdienen und ihre Häuser wieder aufbauen, wenn der Krieg vorüber sei.
Wörtlich heißt es in der Mitteilung, die unserer Redaktion vorliegt: "Sorry, vielleicht waren wir hier zu voreilig." Das Angebot sei vorerst eingestellt. Man wolle sich nun mit Politik und Behörden abstimmen.