Während Delegationen aus Kiew und Moskau verhandeln, setzt Putin seinen Angriffskrieg vor. Russlands Herrscher ist nicht zu trauen.
Bundeskanzler Olaf Scholz bringt gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron viel Zeit und Kraft dafür auf, die Möglichkeiten für einen Waffenstillstand in der Ukraine auszuloten. Scholz telefoniert in regelmäßigen Abständen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, steht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kontakt und reiste zuletzt nach Israel und in die Türkei. Die beiden Länder gelten als mögliche Vermittler in dem Konflikt, da sie Verbindungen nach Kiew und nach Moskau pflegen.
Wenigstens eine Waffenruhe soll zunächst erreicht werden, in der die Ukraine und Russland verhandeln könnten, ohne dass zugleich die russischen Bomben auf Kiew und andere ukrainische Städte fallen. Doch bisher spricht nichts dafür, dass Russland ernsthaft an einer Verhandlungslösung mit der Ukraine interessiert ist.
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Russlands Beteuerungen kann kein Glauben geschenkt werden
Zwar führen Delegationen der Ukraine und Russlands Gespräche über ein Ende des Krieges. Zwischenzeitlich ist sogar von Annäherungen zu hören, die Hoffnung machen. Und der russische Außenminister Sergej Lawrow berichtet von nur „minimalen“ Forderungen seines Landes an die Ukraine.
Allerdings: Solchen Worten aus Russland kann kein Glauben geschenkt werden, solange das militärische Vorgehen in der Ukraine Tag für Tag eine andere Sprache spricht.
Putins Angriffskrieg ist eine Barbarei
Wir werden Zeugen der Barbarei mitten in Europa: Russland setzt seine Aggression unvermindert fort, bombardiert Wohnhäuser und Einrichtungen, in denen Zivilisten Zuflucht suchen. Auf das Leid der ukrainischen Bevölkerung und die sich zuspitzende humanitäre Lage besonders in der belagerten Hafenstadt Mariupol nimmt Putin bei seinem Angriffskrieg keine Rücksicht. Lesen Sie auch: Zerstörung in Mariupol: Kein Wasser, kein Strom
Die russische Armee setzt mit ihren neuartigen Hyperschallraketen zudem jetzt noch verheerendere Waffen ein als bisher. Dieses drastische Vorgehen zielt darauf, die Ukraine in Schutt und Asche zu legen.
Ist die Verhandlungsbereitschaft nur ein Bluff Putins?
Die britische Außenministerin Liz Truss ist der Ansicht, dass die von Russland demonstrierte Bereitschaft zum Gespräch nur einem Ablenkungsmanöver dient, damit sich die russischen Truppen angesichts der unerwartet hohen Verluste seit Kriegsbeginn neu organisieren können.
Auch Scholz ist nicht naiv. Die Bundesregierung zieht die Möglichkeit in Betracht, dass es sich bei den Gesprächen Russlands mit der Ukraine alles nur um einen großen Bluff Putins handelt. Was folgt daraus für die Bemühungen um eine Waffenpause? Lesen Sie auch: So stützt die russische Kirche Putin
Natürlich müssen sie fortgesetzt werden. Und es ist nur zu hoffen, dass sie zum Erfolg und schließlich zum Frieden und dem Fortbestand der Ukraine führen. Aber jegliche Gutgläubigkeit wäre ein fatale Schwäche.
Deutschland muss im Umgang mit Putin realistisch sein
Der frühere schwedische Außenminister Carl Bildt erinnerte vor wenigen Tagen an eine „wichtige Lektion“ seiner Amtszeit aus dem Jahr 2014, nachdem Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hatte: „Ihr diplomatisches Getöse hatte damals praktisch keinen Bezug zu dem, was sie tatsächlich vor Ort taten.“
Dies müssen alle Beteiligten im Hinterkopf haben, wenn sie mit Russland über Lösungen oder gar eine Lockerung von Sanktionen verhandeln. Aber auch Deutschland und seine Bevölkerung brauchen mehr Realismus in der Frage, was die Folgen des Krieges für uns sind. Das bezieht sich auf die Modernisierung der Bundeswehr ebenso wie auf die Debatte um einen Umbau unserer Energieversorgung oder den vorsorglichen Wiederaufbau einer bundesweiten Warn- und Schutzinfrastruktur für den Ernstfall.
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