Städtetagspräsident Markus Lewe kritisiert den Wegfall der meisten Corona-Regeln – und will den Status der Geflüchteten verbessern.
Der 20. März wird in Deutschland kein „Freedom Day“, aber grundlegende Corona-Regeln laufen aus. Der Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe (CDU), sagt im Interview mit unserer Redaktion, warum das die Kommunen irritiert.
Die Corona-Inzidenzen steigen, die Schutzmaßnahmen fallen. Ist das zu verantworten, Herr Lewe?
Markus Lewe: Wir sehen alle auch in unserem persönlichen Umfeld, wie die Infektionszahlen steigen. Anderseits wissen wir, dass die Omikron-Variante nur selten schwere Verläufe verursacht. Daher ist es richtig, strikte Kontaktbeschränkungen und 2G-Regeln etwas zu lockern. Aber die nächste Virusvariante Deltakron ist bereits in Deutschland, und wir wissen nicht, ob sie gefährlicher ist.
Das neue Infektionsschutzgesetz beschneidet den Instrumentenkasten für Länder und Kommunen, um auf die Corona-Lage rasch zu reagieren. Es ist jetzt ein Flickenteppich zu befürchten. Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass das Gesetz bald wieder korrigiert werden muss.
Was erwarten Sie jetzt von den Ländern?
Lewe: Die meisten Länder wollen die bestehenden Regelungen bis zum 2. April verlängern. Vor diesem Tag sollten die Landtage entscheiden, ob sie weitere Schutzmaßnahmen erlauben – also unter bestimmten Voraussetzungen doch weiterhin Maskenpflicht im Einzelhandel oder in manchen Lebensbereichen 3G oder 2G.
Solche Maßnahmen sollen nach dem Gesetz aber nur in Hotspots möglich sein, von denen bisher niemand weiß, wo sie sind. Das Infektionsschutzgesetz ist kompliziert und ungenau. Deshalb müssen die Länder sehr rasch konkret bestimmen, was wann gilt.
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Löst eine Impfpflicht die größten Probleme?
Lewe: Wir müssen immer auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen. Aber deshalb darf man nicht darauf verzichten, eine klare Botschaft zu setzen. Wir brauchen eine Impfpflicht. Sie ist die in eine Rechtsvorschrift gegossene moralische Erwartungshaltung an alle: Wir erwarten, dass du deinen Teil dazu beiträgst, alte und kranke Menschen und unsere ganze Gesellschaft zu schützen.
Schwierigkeiten in der Kontrolle dürfen uns nicht davon abhalten, klare Erwartungen an das Verhalten der Menschen in Gesetzen zu formulieren. Bei Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Straßen machen wir das ja auch.
Wie kann die Gesundheit der vielen Ukrainerinnen und Ukrainer geschützt werden, die zu uns flüchten?
Lewe: Die Gesundheitsämter in den Städten und auch die niedergelassene Ärzteschaft haben bereits begonnen, den Impfstatus festzustellen und Impflücken zu schließen. Um da umfassend voranzukommen, müssen die Landesgesundheitsminister rasch Rahmenverträge der Länder mit den Kassenärztlichen Vereinigungen abschließen.
Perspektivisch müssen die ukrainischen Flüchtlinge ins Krankenversicherungssystem. Sie haben im Moment nur einen rudimentären Gesundheitsschutz. Das liegt daran, dass sie Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Wir fordern für die Menschen einen Zugang zum Sozialleistungssystem des Sozialgesetzbuchs II, das für Arbeitslose gilt. Der Bund sollte hier seine Haltung nochmal überdenken.
Schaffen es die Kommunen, die Kriegsopfer aufzunehmen und zu versorgen?
Lewe: In den Städten gibt es große Solidarität mit den geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Und wir sind als Städte natürlich weiter bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, die vor diesem schrecklichen Krieg Zuflucht suchen. Die Verteilung der Menschen auf die Städte und Regionen muss allerdings besser werden. Das haben wir in den vergangenen Tagen immer wieder in Gesprächen mit Bund und Ländern deutlich gemacht. Außerdem muss eine kluge Verteilung in der Europäischen Union gelingen.
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Die Frage, woher das Geld für die Versorgung kommen soll, haben Bund und Länder auf ihrem jüngsten Gipfel vertagt. Welche Regelung fordern Sie?
Lewe: Dass Bund und Länder die Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten aus der Ukraine als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen und mitfinanzieren wollen, ist für die Städte ein wichtiges Signal. Die verabredete Bund-Länder-Arbeitsgruppe muss nun den Weg ebnen, damit die Versorgung der Menschen und die Integrationsangebote auch zum allergrößten Teil von Bund und Ländern finanziert werden.