Berlin. Die Ukraine-Geflüchteten treffen auf einen angespannten deutschen Wohnungsmarkt. Laut einer Studie braucht es deutlich mehr Wohnungen.
Wer konnte, hat Zuflucht bei Verwandten, bei Freunden und Bekannten gefunden: Viele Ukrainerinnen und Ukrainer, die derzeit vor dem russischen Angriffskrieg auf ihr Land nach Deutschland fliehen, sind unkompliziert und unbürokratisch untergekommen. Die Hilfsbereitschaft vieler Deutscher ist groß. Arbeitszimmer werden zu provisorischen Gästezimmern umgestaltet, manchen wird eine Bleibe für mehrere Wochen in Aussicht gestellt.
Doch jeden Tag kommen neue Züge und Autos über die Grenzen. Fast 146.998 Geflüchtete wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums seit Kriegsausbruch in Deutschland registriert. Da es keine festen Grenzkontrollen gibt und Ukrainer zunächst ohne Visum einreisen können, dürfte die tatsächliche Zahl weitaus höher liegen.
Für viele geht es nun zunächst in öffentliche Unterkünfte, in Sporthallen, auf Messegelände, sogar in Kirchen. Und danach? Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist angespannt, in vielen Großstädten, in denen die Geflüchteten anlanden, sind die Mieten extrem hoch.
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Ukraine-Krieg: Es braucht bis zu 500.000 Wohnungen für Ukraine-Geflüchtete
Harald Simons, Vorstandsmitglied beim Forschungsinstitut Empirica und Mitglied im Rat der sogenannten Immobilienweisen, hat untersucht, was für Folgen der Ukraine-Krieg für den hiesigen Wohnungsmarkt haben wird. Ergebnis: Bis zu 500.000 Wohnungen werden gebraucht, um die Menschen hierzulande unterzubringen.
Für seine Analyse, die unserer Redaktion vorab vorliegt, rechnet Simons zusammen mit Co-Studienautor Marco Schmandt drei verschiedene Szenarien durch. Dabei schwanken seine Annahmen zwischen 310.000 und 1,23 Millionen Geflüchteten, die im Zuge des Krieges nach Deutschland kommen. Da schon jetzt viele Familien nach Deutschland kommen, geht Simons von einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,58 Personen aus – das würde je nach Szenario also zwischen 120.000 und 500.000 zusätzliche Wohnungen machen.
Nicht alle Wohnungen müssten neu gebaut werden
Allerdings müssten diese Wohnungen nicht alle neu gebaut werden. „Viele werden dorthin gehen, wo bereits Ukrainer leben“, sagte Simons unserer Redaktion. Das wäre neben den Metropolen etwa in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Brandenburg und Teilen Sachsen-Anhalts der Fall – und damit in Gebieten, in denen es einen hohen Leerstand gibt.
Zugleich geht Simons davon aus, dass sich die Ukrainerinnen und Ukrainer schnell um Arbeit bemühen werden – im Gegensatz zu 2015 ist es den Geflüchteten dieses Mal möglich, vom ersten Tag an einer Arbeit nachzugehen.
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Bis zu 230.000 Wohnungen müssten neu gebaut werden
Entsprechend werde die Suche nach einem neuen Wohnort auch nach den Kriterien der bezahlbaren Miete und der verfügbaren Arbeitsplätze getroffen werden. „Im Vergleich zu 2015 hat sich der Arbeitskräftemangel flächendeckend deutlich verschärft. Viele Ukraine haben ein hohes Bildungsniveau und werden schnell in Arbeit kommen“, meint Simons. So liege in der Ukraine die Quote der Hochschulabsolventen bei 15,4 Prozent, auch die Frauenerwerbsquote sei hoch.
Simons geht davon aus, dass mehr als die Hälfte des Bedarfs an Wohnraum somit vorhanden wäre. Aber: Im höchsten Szenario müssten dennoch 230.000 Wohnungen neu gebaut werden.
„Wichtig ist, dass nicht am Bedarf vorbeigebaut wird“, mahnt Simons. Es brauche keine Container-Flüchtlingsheime. „Hier geht es um Familien. Wenn die Männer nachkommen, sind es Doppelverdienerhaushalte, die sich eine ordentliche Familienwohnung leisten werden, in der sie Platz zum Wohnen haben.“
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Immobilienwirtschaft fordert zügige Kooperationen
Um die nach wie vor angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entlasten, hat die Ampel-Koalition vereinbart, pro Jahr 400.000 Wohnungen bauen zu wollen – davon 100.000 Sozialwohnungen. Hochschrauben sollte die Bundesregierung ihr Ziel angesichts der derzeitigen Situation nicht, meint Simons: „Die Wohnungen würden ohnehin erst in ein paar Jahren fertig werden.“ Die Bundesregierung müsse nicht mehr, sondern schneller bauen.
Das sieht auch die deutsche Immobilienwirtschaft so, die die Studie in Auftrag gegeben hat. „Wir haben wenig Zeit“, sagte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), unserer Redaktion. Die Kommunen und die Immobilienwirtschaft müssten nun an einem Strang ziehen. „Wir brauchen grünes Licht für Erleichterungen in sämtlichen Phasen des Wohnungsbaus“, mahnte Mattner.
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Mieterbundspräsident warnt vor Verschärfung des Wohnraummangels
Dass sich der Wohnraummangel kurzfristig verschärfen könnte, befürchtet Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. Auch er fordert schnelle Lösungsansätze seitens der Politik: „Leer stehende Büroräume lassen sich verhältnismäßig schnell in Wohnungen umwandeln. Aber auch Flächen, die perspektivisch für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern ausgewiesen werden sollen, lassen sich für Unterkünfte zwischennutzen“, sagte Siebenkotten unserer Redaktion.
Um aufgrund der höheren Nachfrage Mieterinnen und Mieter vor saftigen Mietsteigerungen zu schützen, forderte Siebenkotten eine Verschärfung der Mietpreisbremse. Ausnahmeregelungen sollten verringert und die Einhaltung der Mietpreisbremse aktiv kontrolliert werden. Auch forderte Siebenkotten die Einführung einer Mieterhöhungsgrenze, wonach Mieten im Bestand in angespannten Regionen pro Jahr nicht mehr als zwei Prozent steigen dürften.
Bund will mehr Geld für Sozialwohnungen ausgeben
Die Bundesregierung selbst will zunächst einmal mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau ausgeben. Wie aus Eckpunkten des diesjährigen Haushaltsetats aus dem Bundesfinanzministerium hervorgeht, sollen die Mittel deutlich aufgestockt werden. Pro Jahr wollen SPD, Grüne und FDP 100.000 neue Sozialwohnungen schaffen – derzeit sind es weniger als 30.000 pro Jahr.
Um das Ziel zu erreichen, soll der Bundeszuschuss an die Länder von derzeit 2 Milliarden Euro auf 2,5 Milliarden Euro im kommenden, 3,0 Milliarden Euro im übernächsten und 3,5 Milliarden Euro ab 2025 aufgestockt werden.
Zu wenig, findet Mieterbundspräsident Lukas Siebenkotten: „So wird die Bundesregierung vielleicht anstatt 30.000 Sozialwohnungen pro Jahr wie bisher künftig 50.000 Sozialwohnungen pro Jahr schaffen können.“ Das selbst gesteckte Ziel von 100.000 Sozialwohnungen rücke aber in weite Ferne.
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