Berlin/Brüssel. Vielen Ukrainern fehlt der Impfschutz. Flüchtlinge erkranken, Experten mahnen zu schnellen Impfungen. Wie gefährlich ist die Lage?

Rund 1,7 Millionen Ukrainer sind bisher vor dem Krieg geflüchtet. Die Hilfsbereitschaft benachbarter Länder ist groß, auch in Deutschland, wo bislang 80.000 ukrainische Flüchtlinge registriert wurden. Gesundheitsexperten haben aber eine Sorge: Die Flüchtlinge sind zumeist nicht gegen Corona geimpft – und könnten anfälliger sein auch für andere Infektionskrankheiten. Besondere medizinische Betreuung ist gefragt.

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC ruft in einem neuen Report zur Vorsicht auf: „Es wird erwartet, dass viele der Menschen, die derzeit aus der Ukraine fliehen, nicht vollständig gegen COVID-19 geimpft sind.“ Die Rate der vollständig Geimpften liege in dem Land bei nur 35 Prozent der Bevölkerung.

Eine nationale Impfkampagne hatte in der Ukraine erst am 1. Februar begonnen. Etwa ein Drittel der Geimpften hat den chinesischen Impfstoff Sinovac erhalten, der in der EU gar nicht zugelassen ist. Die Sorge: Wegen der schwierigen Lebensbedingungen könnten sich die Flüchtlinge leichter anstecken, vor allem in den Sammelunterkünften bestehe das Risiko von größeren Corona-Ausbrüchen, so der ECDC-Report

Auch bei anderen Impfungen gibt es Nachholbedarf

Die Experten fordern eine systematische Überwachung in den Aufnahmezentren. Sie verweisen auf frühere Fälle etwa im baden-württembergischen Ellwangen, wo sich vor zwei Jahren in einer Asylbewerber-Unterkunft innerhalb von fünf Tagen 251 von 580 Bewohnern mit dem Coronavirus infiziert hatten. Aber auch aktuell gibt es erste Fälle: Im westfälischen Ahlen etwa wurden laut Medienberichten 18 von 79 Ukraine-Flüchtlingen nach ihrer Ankunft positiv auf Corona getestet, sie mussten in einen Isolierbereich der Notunterkunft.

Die EU-Gesundheitsbehörde ruft zugleich dazu auf, die Flüchtlinge aus der Ukraine so weit wie möglich schnell zu impfen – nicht nur gegen Corona, sondern auch gegen Masern oder Kinderlähmung. Denn Impfungen im Kindesalter gegen solche Krankheiten seien in der Ukraine „suboptimal“, die Schutzrate zu niedrig.

Lauterbach plant Angebote in ukrainischer Sprache

Der Aufruf trifft in Deutschland auf offene Ohren: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereitet schon spezielle Angebote für die Corona-Schutzimpfung von ukrainischen Flüchtlingen vor – mit Informationen in ukrainischer Sprache.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) © Getty Images | Pool

Außerdem sollen sie problemlos Zugang zu Schnelltests bekommen. Der Minister sagt, es gebe eine „besorgniserregend hohe Zahl“ an Covid-19-Erkrankten aus der Ukraine. Lauterbach dämpft aber Befürchtungen, es könne durch die Ukraine-Flüchtlinge zu einer neuen Corona-Welle kommen: In einzelnen Städten könnten die Fallzahlen zwar steigen, insgesamt seien aber gar nicht so viele Flüchtlinge zu erwarten, dass es Probleme bei der Pandemiebewältigung geben werde, sagt der Gesundheitsminister.

Steigende Corona-Zahlen in der Ukraine

Wichtig, aber kaum möglich wäre Hilfe in der Ukraine selbst. Das Rote Kreuz fürchtet bereits stark steigende Corona-Infektionen im Land selbst und in den Nachbarstaaten. Die Ukraine habe vor dem russischen Überfall im Februar noch stark unter der Omikron-Welle gelitten, vor Kriegsbeginn seien im Februar 900.000 Fälle registriert worden, berichtet die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) in Genf. Nun verschlechtern sich die Bedingungen etwa durch den Aufenthalt in überfüllten Schutzräumen. Da es kriegsbedingt weniger Corona-Tests gebe, sei auch der Überblick über die Infektionslage beeinträchtigt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.

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