Berlin . 20.000 Ausländer sollen an der Seite der Ukraine gegen Russland kämpfen. Deutsche sollen zur “Fremdenlegion“ gehören. Auch Neonazis?
Hunderte Deutsche sollen an der Seite der Ukraine kämpfen. Idealisten, Abenteurer, Söldner, blutige Anfänger wie erfahrene Soldaten. Schon ist von einer "Fremdenlegion" die Rede. Die Meldungen gehen auf ukrainische Regierungskreise zurück. Die haben ein Interesse daran, den Krieg mit Russland zu internationalisieren. Verifizieren lassen sich die Meldungen nicht, auch nicht bei Geheimdiensten.
Strafbar machen sich die Freiwilligen nicht. Diejenigen mit doppelter Staatsbürgerschaft unter ihnen gehen allerdings juristisch ein Rest-Risiko ein. Der Entzug – also unfreiwillig – der deutschen Staatsbürgerschaft ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Er ist nur in zwei Fällen vorgesehen: Wenn ein Kind durch einen Ausländer adoptiert wird – und wenn jemand freiwillig "ohne Zustimmung der zuständigen Behörde" in den Dienst von Streitkräften oder vergleichbaren bewaffneten Verbänden eines ausländischen Staates eintritt, dessen Staatsangehörigkeit der oder die Betroffene ebenfalls besitzt.
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Das ist ein realistisches Szenario, weil hierzulande weit über 100.000 Ukrainer leben, die verwandtschaftliche Beziehungen zur alten Heimat und häufig die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Dass einige ihre alte Heimat (oder die ihrer Eltern) verteidigen wollen, ist eine plausible Motivation.
Die deutsche Staatsangehörigkeit geht nicht verloren, wenn der Betreffende zuvor die Erlaubnis des Bundesministeriums der Verteidigung eingeholt hat oder aufgrund eines bilateralen Vertrages zum Eintritt in die fremden Streitkräfte berechtigt ist. Das gilt für EU-Bürger, Menschen aus Staaten der Nato oder der EFTA, ferner für Australier, Neuseeländer, Israelis, Japaner und Koreaner.
Kampf für die Ukraine: Doppelstaatler setzen ihren deutschen Pass aufs Spiel
Als Deutsche nach Syrien zogen, um an der Seite des Islamischen Staates zu kämpfen, da stand die Drohung im Raum, die Doppelstaatler unter ihnen auszubürgern. Im Fall der Ukraine käme das schwerlich in Frage, weil die Bundesregierung solidarisch mit dem Land ist und es mit Waffen versorgt. Die Kämpfer zu bestrafen, wäre ein Fall von Doppelmoral.
Offenkundig falsch sind die Gerüchte, dass Neonazis in den Kampf ziehen. Der Verfassungsschutz verfolgt nach eigener Darstellung Werbungsversuche und "mögliche Ausreiseabsichten". Ihm lägen aber "keine verifizierten Erkenntnisse" über Rechtextremisten vor, die in den Krieg ziehen, wie das Kölner Bundesamt unserer Redaktion mitteilte.
Neonazis in Ukraine unterwegs? Keine Spur
Nur vereinzelt lägen Hinweise auf erfolgte Ausreisen von Extremisten aus Deutschland in die Ukraine vor – "im niedrigen einstelligen Bereich". Im Innenministerium kursiert sogar eine genaue Zahl: drei.
Dagegen mehren sich die Berichte über ehemalige britische Soldaten, die sich zum Kampf melden und vor Rekrutierungsbüros sogar Interviews geben. Die Kiewer Regierung hat für die Freiwilligen eine Webseite geschaltet: Die Möchtegern-Fremdenlegionäre müssen sich bei der ukrainischen Botschaft in ihrem Heimatland melden, bestimmte Dokumente vorlegen und über eine vorgegebene Route in die Krisenregion einreisen.
Sie sind höchst willkommen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ruft Ausländer dazu auf, beim Kampf gegen „russische Kriegsverbrecher“ mitzuhelfen. Sein Außenminister Dmytro Kuleba spricht von 20.000 Freiwilligen aus aller Welt, angeblich aus 52 Staaten, darunter sind laut "Bild" auch rund 500 Bundesbürger.
Wie geht Russland mit den Fremdenlegionären um?
"Ich kann nicht einfach hier sitzen und nichts machen. Nicht, wenn Putin gerade alles zu zerstören droht, was in Europa in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut wurde", zitiert die "Welt" einen 19-jährigen Deutschen, der nach eigenen Angaben bald ins Kriegsgebiet aufbrechen wird.
"Nur auf die Straße zu gehen und gegen Russland zu demonstrieren, wird den Konflikt nicht lösen", erklärt ein anderer dem Blatt. Manche bewundern Selenskyjs Engagement im Krieg auch so sehr, dass sie sich dazu entschieden haben, freiwillig für die Ukraine zu kämpfen.
Der Konfliktforscher Thomas Hegghammer sorgt sich im "Spiegel", dass Russland die Freiwilligen wie eine Legende betrachten könnte: als Verschleierung für eine faktische europäische Truppenentsendung. Wie reagiert Präsident Wladimir Putin? Ein gewisses Eskalationsrisiko bleibt.
Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.
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