Berlin . Russland schürt die Angst vor einem Preisschock und hält beim Gas eine Verdoppelung für möglich. Ist am Horrorszenario etwas dran?
Gehört das etwa zur hybriden Kriegsführung? Auf den Stopp des Gaspipeline-Projekts Nord Stream 2 reagierte Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew mit Sarkasmus. "Na dann", twitterte er, "willkommen in einer neuen Welt, in der die Europäer bald 2000 Euro für 1000 Kubikmeter Gas bezahlen werden." Das wäre mehr als eine Verdoppelung des Preises. Reine Panikmache?
Wie hoch ist der Gaspreis?
Am europäischen Spotmarkt Trading Hub Europe (THE) lag der Gaspreis am 23. Februar bei 82,60 Euro je Megawattstunde (MWh). Im Laufe des Tages erreichte er schon mal die 85er Marke. Das ist im Schnitt zwar etwas mehr als am Vortag, aber am Telefon erinnerte eine Unternehmenssprecherin daran, dass er kurz vor Weihnachten 2021 ungleich höher lag. Damals erreicht er einen Peak von 184 Euro/MWh. Er ist mit der Eskalation des Ukraine-Konflikts nicht gestiegen.
Was kostet ein Kubikmeter Gas?
Grob gesagt, kann man den Faktor zehn nehmen. Ein Kubikmeter Gas ergibt zehn Kilowattstunden. Er kostet also momentan auf dem Markt deutlich weniger als 1000 Euro. Die privaten Verbraucher müssen mehr zahlen müssen, je nach Anbieter und Tarif. Im Schnitt schätzungsweise 1400 Euro pro Kubikmeter. Es ist nicht ganz klar, woraus sich der Russe genau bezog, auf den Markt- oder den Endverbraucherpreis. In jedem Fall sind wir noch weit vom Horrorszenario entfernt.
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Wofür brauchen wir Gas?
Laut dem Portal statista sind die größten Verbraucher die Industrie (36 Prozent) und die privaten Haushalte (31 Prozent), gefolgt von der Stromversorgung (14 Prozent), Gewerbe (zwölf Prozent) und Fernwärme (sieben Prozent). Die Verhältnisse haben sich zwischen 2010 und 2020 kaum geändert. Verbraucher nutzen Gas vor allem zum Heizen. Viele kochen auch gern mit Gas, Profiköche schwören darauf. Der Energieversorger EON nennt als Durchschnittsverbrauch für einen Haushalt mit einer Wohnfläche von 80 Quadratmetern im Jahr rund 14.000 KWh für das Heizen. Entsprechend höher fällt der Verbrauch aus, wenn die Warmwasserversorgung dazukommt und/der mit Gas gekocht wird.
Wird Gas jetzt teurer?
Davon geht nicht nur Medwedew aus. Jedenfalls bei einer weiteren Zuspitzung der Krise. "Die Preise für Gas und Strom würden auf jeden Fall noch einmal deutlich steigen", sagte der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, in einem Interview unserer Redaktion.
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Dafür gibt es mehrere Gründe, die vielfach mit der Ukraine-Krise zu tun haben, angefangen mit Spekulanten, Krisengewinnlern. Darauf spielte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an, als er sagte, "Krieg treibt die Preise".
Außerdem will sich Deutschland unabhängiger von Russland machen. Kurz- und mittelfristig kann man sich am ehesten mit teurerem Flüssiggas behelfen, langfristig mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Hinzu kommt, dass der Füllstand der deutschen Gasreserven bei knapp 30 Prozent liegt. Würde man sie sofort auffüllen, würde die Nachfrage steigen.
Der Preis dürfte erst recht steigen, wenn Russlands-Präsident Wladimir Putin einen Schritt weitergeht und nach dem Einmarsch in die Ost-Ukraine das gesamte Land angreifen würde. Dann wäre sogar ein Boykott der Gaslieferung als Reaktion möglich, was wiederum den Preis treiben würde.
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Warum hat Russland so viel Gas?
Das Land ist außerordentlich reich an Bodenschätzen. Gas wird großteils in Westsibirien gefördert. In Ostsibirien steht die Förderung erst am Anfang. Der russische Staat streicht seit Monaten mehr Geld aus Gas- und Ölexporten wie seit Langem nicht. Im Spätherbst letzten Jahres schätzten Fachleute die Steuereinnahmen aus der Ausfuhr von Erdöl und Gas auf 125 Milliarden Dollar. Bei einer Eskalation des Ukraine-Konflikts könnte einerseits der Preis steigen – zu Russlands Vorteil –, andererseits könnte es zu einem Boykott von russischem Gas kommen.
Medwedews Horrorszenario könnte durchaus in Erfüllung gehen, allerdings nicht wegen der Probleme mit Nord Stream 2. Sondern wegen der Ukraine-Konflikts.
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