Köln. Aussagen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach sorgen bei Karnevalisten für Unmut. Sie werfen ihm vor, ihre Anliegen nicht ernst zu nehmen.
Kölns Karnevalisten haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für dessen Aussagen über die närrische Zeit harsch kritisiert. „Es ist schade, wie wenig Sie als Rheinländer über den Karneval wissen. Sonst würden Sie sich nicht öffentlich eine Verlegung der Karnevalsaktivitäten in den Sommer wünschen“, schrieb Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, in einem Offenen Brief an den im rheinischen Düren zwischen Köln und Aachen geborenen Lauterbach.
Der Karneval sei mehr als Feiern um jeden Preis, vielmehr ein wichtiges und erhaltenswertes Kulturgut, schrieb Kuckelkorn weiter. „Der Karneval ist ein Fest im Jahreskreislauf wie Weihnachten oder Ostern. Niemand würde ernsthaft fordern, alle weihnachtlichen Feiern vom Weihnachtsmarkt über die Christmette bis zu den Treffen im Familienkreis auf den Sommer zu verlegen - selbst in Pandemiezeiten nicht.“
Lauterbach macht wenig Hoffnung auf eine normale Session
Lauterbach hatte den Karnevalisten am Donnerstag im WDR wenig Hoffnung auf eine normale Session gemacht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir den Karneval durchführen können. Und es ist auch kein guter Karneval“, argumentierte Lauterbach und gab zu bedenken: „Was ist das für ein Karneval, wo man versucht, fröhlich zu sein, wo es aber immer mit dem Risiko einhergeht, dass man sich selbst oder andere infiziert und dann möglicherweise mit einer schweren Krankheit rechnen muss?“ Zugleich schlug der Mediziner vor, die närrischen Aktivitäten wegen der drohenden Omikron-Virus-Varianten-Welle in die warme Jahreszeit zu verlagern. „Mir wäre tatsächlich ein Sommer-Karneval lieber, der dann unter sicheren Bedingungen stattfindet, als dass wir versuchen, uns jetzt hier durchzulavieren und gefährden uns.“
Gerade als Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Köln und Leverkusen müsste Lauterbach wissen, „dass der rheinische Karneval als immaterielles Kulturgut der Bundesrepublik Deutschland anerkannt“ sei, so Kuckelkorn. „Und zwar zurecht, denn unser Brauchtum besteht eben aus viel mehr als wilden Partys und zügellosem Alkoholkonsum.“ Der Karneval gebe den Menschen auch Hoffnung und Zuversicht. Lauterbach solle mal in die Schulen, Kitas, Krankenhäuser und Altenheime gehen: „Dort erleben Sie, wie Menschen den Karneval im Herzen tragen – und gleichzeitig überaus verantwortungsvoll mit der pandemischen Lage umgehen.“
„Schon im Sommer haben wir erste Impfaktionen gestartet“
Das Festkomitee, die 130 Mitgliedsgesellschaften und die Karnevalsveranstalter haben laut Kuckelkorn etliche Male bewiesen, dass sie dem Schutz der Gesundheit Vorrang geben und dennoch coronakonform feiern können. Er verwies unter anderem auf Video-Grußbotschaften, virtuelle Sitzungen und andere kreative Lösungen. „Schon im Sommer haben wir erste Impfaktionen gestartet, um möglichst viele Menschen vom Impfen zu überzeugen.“ Am 11.11. habe man freiwillig 2G zur Pflicht gemacht, lange bevor staatliche Stellen dies vorschrieben.
Lauterbach solle heraus aus seinem „Talkshow-Modus“ und die Anliegen des Karnevals erst nehmen. Er tue so, als seien die Jecken „unbelehrbare Corona-Leugner“, kritisierte Kuckelkorn: „Was wir brauchen, sind keine weiteren moralischen Appelle, sondern eine klare Haltung und Unterstützung für die Vereine, Künstler, Saalbetreiber und andere Dienstleister, denen andernfalls durch freiwillige Absagen die Pleite droht.“
Wertschöpfung des Karnevals allein in Köln bei 600 Millionen Euro pro Jahr
Als Erwiderung auf die Kritik schrieb Lauterbach am Samstag auf Twitter: „Auch mir ist der Karneval in Köln sehr wichtig. Besonders das Leben der Feiernden. Die Vereine müssen planen können. Wir erwarten eine so massive Omicron Welle, dass der Karneval unter den geplanten 2G Bedingungen wahrscheinlich nicht sicher genug ist.“
Laut einer Studie liege die Wertschöpfung des Karnevals allein in Köln bei 600 Millionen Euro pro Jahr, merkte der Festkomitee-Chef an. „Davon erhalten die Karnevalsgesellschaften den kleinsten Anteil, aber ohne die von ihnen veranstalteten Sitzungen, Bälle und Karnevalsumzüge haben auch Hotels und Kneipen, Taxifahrer und Kellner, Friseure und Kostümfachgeschäfte keinen Umsatz im Karneval.“
Kuckelkorn lud den Minister zu einem Gespräch ins Kölner Karnevalsmuseum ein. Dort solle man „so schnell wie möglich“ über Perspektiven für ehrenamtliche Vereine, Künstler und andere Betroffene sprechen. „Denn im zweiten Jahr der Pandemie ist das Thema Karneval für viele Menschen sprichwörtlich zu einer ernsten Sache geworden“ (dpa)