Potsdam. Seit Amtsantritt ihres Mannes Olaf Scholz blickt die Öffentlichkeit auf Britta Ernst. Was für sie wichtig ist und sie lieber auslässt.
15 Minuten vor dem Treffen im Potsdamer Bildungsministerium ruft ihre Pressesprecherin auf dem Handy an. Ob man schon vor Ort sei? Britta Ernst habe jetzt doch nur 30 Minuten für den Termin. Nach Abzug der Zeit für die Fotos werden es 20 Minuten sein, die sich die noch aktuelle Präsidentin der Kultusministerkonferenz der Bundesländer Zeit nimmt. Für ein Gespräch, das ergründen soll, wer die Bildungspolitikerin Britta Ernst ist und was für eine Kanzlergattin die Frau von Olaf Scholz sein könnte.
Ernst läuft die Treppen hinunter in den Innenhof des Ministeriums. Fotografiert werden ist etwas, das sie offenbar eher hinter sich bringen will. Die 60-Jährige ringt sich ein kleines Lächeln ab, doch auf die Frage, ob sie vielleicht ihren Blazer öffnen möchte, um etwas lässiger zu wirken, antwortet sie nur kurz und deutlich: „Nein.“ Am Ende müssen zwei Motive reichen.
Britta Ernst: In ihrem Büro stapeln sich die Ordner auf dem Schreibtisch
In ihrem Büro stapeln sich die Ordner auf dem Schreibtisch, die großen Fenster bieten eine Aussicht auf Potsdam. Ansonsten ist das Büro schlicht, weiße Wände, pragmatische Möbel. Alles drückt aus: Hier wird gearbeitet, nicht repräsentiert. In den vergangenen Wochen hatte es in Brandenburg Kritik an der Arbeit der Ministerin gegeben. 2017 hatte sie den Posten übernommen, war zuvor schon in Schleswig-Holstein Bildungsministerin und Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Zuletzt hat sogar der Landeselternrat von Brandenburg ihren Rücktritt gefordert.
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Sie sei verantwortlich für eine „plan- und orientierungslose Politik im Bildungsbereich“, sagte der Vorsitzende. Zudem sei die Corona-Situation an den Schulen inzwischen „außer Kontrolle“. Britta Ernst habe zu lange am Präsenzunterricht an den Schulen festgehalten und damit hohe Infektionsraten in Kauf genommen.
Konfrontiert mit den Vorwürfen, reagiert Ernst besorgt, aber nicht getroffen: „Die Pandemie ist für viele Familien ein schreckliches Ereignis“, sagt sie. „Wir geben uns alle Mühe, dass die Familien gut durch die Pandemie kommen, aber nicht alle sind zufrieden. Diese Unzufriedenheit begleitet uns seit eineinhalb Jahren. Ich glaube, die Nerven liegen auch bei allen ein bisschen blank.“ Alle würden sich wünschen, die Pandemie wäre bald vorbei und alles wäre wieder normal an den Schulen.
Ernst wollte Schulschließungen verhindern
Beim Thema Schulschließungen wird Ernst deutlicher, und man merkt, dass sie das bis zum Schluss verhindern wollte, aber schließlich einlenken musste. Gemeinsam mit den anderen Kultusministern trete sie dafür ein, dass Präsenzunterricht das Beste für die Kinder sei, sagt die KMK-Präsidentin. „Kein Distanzunterricht, kein Wechselunterricht kann Schülerinnen und Schüler so gut erreichen und vergleichbare Qualität liefern, das haben die langen Schulschließungen leider eindrucksvoll bestätigt.“
In der Rolle der Bildungsministerin geht Britta Ernst auf. Die Hände gefaltet, wartet sie aufmerksam auf die nächste Frage, wie eine Tennisspielerin, die auf der anderen Seite des Netzes versucht, den nächsten Aufschlag zu antizipieren.
Britta Ernst: „Das klassische westdeutsche Arbeiterkind“
Wer verstehen will, warum sich die Hamburgerin den Schwerpunkt Bildung ausgesucht hat, findet Antworten in ihrer Biografie. Ernst bezeichnet sich selbst als „das klassische westdeutsche Arbeiterkind“. Der Vater war Zimmermann, die Mutter Schneiderin. Als Schülerin bevorzugt die heutige Bildungsministerin Naturwissenschaften, später entdeckt sie auch Deutsch als Fach, aber alles Auswendiglernen sei ihr schwergefallen. Und dass man Hausaufgaben tatsächlich erledigen muss, hat sie erst in der 7. Klasse verstanden; dabei schmunzelt sie etwas.
Die Eltern hätten sie zwar angehalten, ihre Aufgaben zu machen, aber die Schülerin Ernst muss schon damals eigenwillig gewesen sein, hört man heraus. Sie studiert, macht ihren Abschluss als Diplom-Volkswirting, die Eltern sind stolz auf ihre Tochter. Ernst hat sich hochgearbeitet, aus eigener Kraft, aber auch weil das Deutschland der 60er- und 70er-Jahre ihr so einen Bildungsaufstieg möglich gemacht hat.
„Ich konnte durch gute Bildungspolitik den Weg gehen, den ich gegangen bin. Ich habe erlebt, dass eine gerechte Bildungspolitik einen großen Einfluss auf ein junges Leben haben kann.“ Deshalb sei sie auch mit 17 in die SPD eingetreten. Sie habe sich verpflichtet gefühlt, habe dieser „Wertegemeinschaft“ angehören wollen.
Hochzeit mit Olaf Scholz im Jahr 1998
In der SPD lernte sie schließlich auch ihren späteren Mann Olaf Scholz kennen. Das Paar heiratete 1998, beide machten Karriere, blieben kinderlos. Als Scholz 2011 Erster Bürgermeister in Hamburg wurde, verabschiedete sie sich aus der Hamburger Bürgerschaft und ging für kurze Zeit nach Berlin in die Parteizentrale, bis sie in Schleswig-Holstein Bildungsministerin wurde.
Ob sie den Abschied aus Hamburg als Karriereknick empfand, will sie nicht bewerten. Dazu sagt sie nichts. Überhaupt geht sie jeder Frage, die sie mit ihrem Mann in Verbindung bringt, aus dem Weg. Britta Ernst will als völlig eigenständige Persönlichkeit wahrgenommen werden und zeigt das auch.
Ihr Mann, der Kanzler, denkt da wie sie. Als Olaf Scholz in einem Interview gefragt wurde, ob seine Frau weiterarbeiten werde, wenn er Kanzler ist, verlor er fast die Fassung: „Das ist ehrlicherweise eine Frage, die mich empört, wenn ich das ganz offen sagen darf. Ich weiß nicht, ob die auch Männern gestellt wird, die Ehegatten sind“.
Danach gefragt, wie sie den Stand der Gleichberechtigung von Mann und Frau heute bewertet, sagt Britta Ernst: „Wir haben viel erreicht, aber noch nicht genug. Paritätische Besetzung von politischen Ämtern ist immer noch ein Thema, genauso wie der Frauenanteil in Führungspositionen und die Frage nach der gleichen Bezahlung. Aber Frauen sind schon viel sichtbarer als früher“, glaubt sie.
Nur als Kanzlergattin möchte Britta Ernst offenbar nicht sichtbar sein. Auch wenn es so eine wie sie, die selbst eine erfolgreiche Politikerin ist, in der Rolle bisher nicht gab.