Berlin. Olaf Scholz ist neuer Bundeskanzler. Jetzt erscheint eine Biografie über ihn. Sein Amtsvorgänger Gerhard Schröder ordnet das Buch ein.
Ratschläge an den aktuellen Amtsinhaber sind unter früheren Bundeskanzlern tabu. Daran hält sich auch Gerhard Schröder, wenn er nach seinem Parteifreund Olaf Scholz gefragt wird. Aber was der Hausherr im Kanzleramt mitbringen muss, erzählt der 77-jährige Bundeskanzler a.D. schon: starken Willen, Geschick im Steuern der Koalition - und Kenntnisse über das Liebesleben von Stachelschweinen.
Einen Tag nach der Wahl von Olaf Scholz zum Kanzler, die Schröder auf der Ehrentribüne des Bundestags verfolgt hat, berichtet der Sozialdemokrat über seine Sicht auf die Dynamik in dem neuen Ampel-Bündnis und die Lage seiner SPD. Anlass ist das Erscheinen des Buches „Olaf Scholz – Der Weg zur Macht. Das Porträt“ von Lars Haider. Der Chefredakteur des Hamburger Abendblatts hat Scholz in den vergangenen Jahren unzählige Male getroffen und diese Begegnungen und seine Beobachtungen in dem ersten Buch über Scholz aufgeschrieben. Moderiert wurde das Gespräch zwischen dem Alt-Kanzler und dem Neu-Kanzler-Experten im Berliner Meistersaal von Jörg Quoos, Chefredakteur der Funke-Zentralredaktion.
Diesen Rat gibt Schröder dem neuen Kanzler Scholz
Schon 2018 habe ihm Scholz von seinem Plan erzählt, Bundeskanzler werden zu wollen, erzählt Haider. Damals habe er nicht an den Plan von Scholz geglaubt, der Sozialdemokrat umso fester. Es sei das „Lebensziel“ des 63-Jährigen gewesen, Deutschland als Kanzler zu regieren. Schröder bestätigt diesen Wesenszug an Scholz: „Wer in dieses Amt will, der muss es unbedingt wollen“, sagt Schröder. „Und das hat Olaf ausgestrahlt. Und das ist das Geheimnis seines Erfolgs.“ Lesen Sie auch: Kabinett: In diese Krisen startet die neue Regierung
Gerhard Schröder und Olaf Scholz kennen sich gut. Der dritte Bundeskanzler mit SPD-Parteibuch beschreibt den vierten sozialdemokratischen Kanzler als belesen, diszipliniert, besonnen und ausdauernd. Die beiden sind nicht nur seit Jahrzehnten in derselben Partei. Der frühere und der aktuelle Kanzler haben auch eng zusammengearbeitet. Scholz war während der zweiten Amtszeit Schröders von Oktober 2002 bis März 2004 SPD-Generalsekretär.
Nun soll Scholz mit FDP und Grünen regieren, es ist das erste Bündnis dieser Art auf Bundesebene. Mit den beiden kleineren Koalitionspartnern säßen nun „Antikräfte“ des politischen Magnetfelds in der Regierung zusammen. „Wie kann das gelingen?“, fragt Jörg Quoos den früheren Kanzler Schröder. „Das ist eine verdammt gute Frage“, räumt Schröder ein. „Es ist nicht so einfach, so eine Koalition zu führen.“
Scholz werde Geduld benötigen und mit den wichtigsten Kabinettsmitgliedern in engem direkten Kontakt sein. Das seien aus seiner Sicht Finanzminister Christian Lindner von der FDP sowie der Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und „möglicherweise“ Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen. „Das wird ein Kommunikationsfall“, ist sich Schröder sicher. Lesen Sie auch: Ampel-Regierung: Alle Ministerien und Posten im Überblick
Wo wäre die SPD ohne Scholz?
Welche Disziplinierungsmöglichkeiten ein Bundeskanzler denn habe, wenn es in der Koalition mal heftig krache, will Quoos von Schröder wissen. Der Altkanzler verweist auf die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs, die ihm erlaubt, den Ministerinnen und Minister die Leitplanken ihres Handelns verpflichtend vorzugeben. Diese Hoheit aber direkt auszuüben, sei im Regierungsalltag problematisch, gibt Schröder zu bedenken. „Das können sie einmal machen, das können sie zweimal machen.“ Das Instrument könne ein Kanzler nur nutzen, „wie Stachelschweine sich lieben“, sagt Schröder: „Ganz vorsichtig.“ Er sei sich aber sicher, dass Scholz dies könne. „Weil er weit mehr Geduld aufbringt, als ich sie je gehabt habe.“ Auch interessant: Olaf Scholz: So lief der Amtsantritt des neuen Kanzlers ab
Gefragt nach dem zeitweise schwierigen Verhältnis von Scholz zu seiner Partei, die ihn vor zwei Jahren nicht als Vorsitzenden wollte, verweist Haider auf den vom Kanzlerkandidaten errungenen Wahlsieg. Ohne Scholz wäre die SPD-Fraktion nicht die stärkste im Bundestag, sondern nur halb so groß. „Insofern weiß die SPD zum jetzigen Zeitpunkt, was sie an Olaf Scholz hat.“ Schröder teilt die Einschätzung. „Das wird auch tragen in der nächsten Zeit.“ Allerdings betrachtet der Ex-Kanzler die Beziehung zur Partei nüchtern: „Sie müssen respektiert werden“, sagt Schröder. Für die Liebe habe Scholz schließlich die Beziehung zu seiner Frau Britta Ernst. „Wer will schon von seiner Partei geliebt werden?“
„Olaf Scholz. Der Weg zur Macht“ von Lars Haider hat 200 Seiten, erscheint im Klartext Verlag und ist ab jetzt für 20 Euro im Buchhandel erhältlich.
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