Essen. Die Impfbereitschaft sinkt. NRW will deshalb Impfstoff an den Bund zurückzugeben. Laut einem Bericht sollen es mehr als eine Million Dosen sein.
Vor dem Hintergrund des zunehmend schwächelnden Impf-Tempos will NRW ungenutzten Corona-Impfstoff an den Bund zurückgeben. Ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums sagte am Montag, dass NRW Impfstoff aus dem zentralen Landeslager zurückführen werde.
Wie am Freitag bekannt wurde, sollen mehr als eine Million Dosen an den Bund zurückgegeben werden. Wie die „Welt“ berichtete, hat das Landesgesundheitsministerium 922.400 Dosen Astrazeneca und 125.200 Dosen von Johnson & Johnson aus dem Landeslager zur Rückführung angemeldet. Der Bund ist Eigentümer der Impfstoffe und hat über die weitere Verwendung zu entscheiden.
Bund will ungenutzten Impfstoff an Drittstaaten spenden
In einem Schreiben hatte das Bundesgesundheitsministerium vergangene Woche den Ländern die Möglichkeit eröffnet, "Impfstoffdosen, die in der nationalen Impfkampagne nicht mehr zum Einsatz kommen und deren Lagerhaltung eine Weitergabe an Drittstaaten im Rahmen von Spenden zulassen", an das zentrale Lager des Bundes zurückzugeben.
Zunächst geht es um noch mindestens zwei Monate haltbare Vakzine der Hersteller Astrazeneca und Janssen (Johnson & Johnson) aus den Landes-Verteilzentren. In einem zweiten Schritt können auch Impfstoffe aus Impfzentren zurück an den Bund. Selbst spenden darf NRW keinen Impfstoff, da er im Besitz des Bundes ist.
NRW-Landeslager ist gut gefüllt, doch Impfbereitschaft sinkt
Laut NRW-Gesundheitsministerium befinden sich im Landeszentrallager über 135.000 bei minus 70 Grad gekühlte Biontech-Fläschchen, die zwischen Anfang Oktober und Ende November ablaufen, sowie über 46.000 Moderna-Fläschchen und mehr als 6200 Fläschchen von Johnson & Johnson mit längerer Haltbarkeit. Aus dem Lager erhalten die Impfzentren ihre Lieferungen. Bisher seien keine im Landeslager befindlichen Impfdosen verfallen.
Die Impfbereitschaft sinkt seit Wochen. Laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe ist die Anzahl der Impfungen allein in den dortigen Impfzentren von 243.409 in der Woche vor den Sommerferien auf 76.098 in der vergangenen Woche gesunken. In westfälischen Praxen und Zentren haben in der letzten Juli-Woche nur rund 56.000 Erstimpfungen stattgefunden.
Ärzte und Ärztinnen fordern Lösung für ungenutzten Impfstoff in Praxen
Ärzte und Ärztinnen fordern, auch für ungenutzten Impfstoff in ihren Praxen eine Lösung zu finden. Derzeit können sie Vakzine, die ebenfalls dem Bund gehören, nicht zurückgeben, sondern nur untereinander oder an Impfzentren umverteilen. Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, sieht dringenden Handlungsbedarf: „Angesichts der Bedeutung der weltweiten Impfungen und der Tatsache, dass wir es uns nicht leisten können, Dosen verkommen zu lassen, ist es ungemein wichtig, weiterzudenken und die logistischen Möglichkeiten auszuschöpfen“, mahnte Weigeldt.
Im Ruhrgebiet sind Ärzte und Ärztinnen jüngst mit einem Versuch gescheitert: In Oberhausen wollten Praxen rund 2000 ungenutzte Astrazeneca- und Johnson & Johnson-Dosen an drei medizinische Einrichtungen in Tansania schicken. Dr. Stephan Becker, der dem Bund den Impfstoff sogar abkaufen und dann verschenken wollte, hofft auf baldige Klärung: „Wir haben Impfstoff, den wir nicht verimpft bekommen und der verfällt, und wir dürfen ihn nicht mal kaufen, um ihn zu verschenken. Da ist doch der Wurm drin.“
Er geht davon aus, dass allein in den drei Städten Oberhausen, Essen und Duisburg über 10.000 Impfdosen zu verfallen drohten und zudem bereits heute vielfach Impfstoff entsorgt werde, weil Dosen aus den geöffneten Fläschchen übrig blieben.