Oberhausen. Das NRW-Ministerium untersagt dem Krisenstab in Oberhausen, übrig gebliebene Astrazeneca-Impfdosen in Eigeninitiative nach Afrika zu bringen.

Zehntausende Impfdosen von Astrazeneca und Johnson & Johnson könnten in Oberhausen und der Region schon bald in der Mülltonne landen. Ihre Haltbarkeitsdaten laufen im August ab. In den Arztpraxen sind beide Mittel längst zu Ladenhütern geworden. Einen Vorstoß des Oberhausener Krisenstabs, inzwischen sogar schon rund 2000 Astrazeneca- und Johnson&Johnson-Dosen in Eigeninitiative nach Tansania zu bringen, lehnte das NRW-Gesundheitsministerium ab.

„Das Ministerium verwies auf die Zuständigkeit des Bundes“, erläutert Dr. Stephan Becker, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, auf Nachfrage dieser Redaktion. Rechtlich gesehen bleibt der Bund auch nach einer Auslieferung der Impfdosen der Eigentümer. Die Verträge mit den Herstellern aber schließen, wie es aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt, ausdrücklich eine Weitergabe an Dritte aus – und damit an Drittstaaten wie Privatpersonen gleichermaßen.

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Dabei hatte sich Becker, der die niedergelassenen Ärzte im Krisenstab der Stadt vertritt, sogar bereit erklärt, alle in den Oberhausener Praxen übrig gebliebenen Vektorimpfstoff-Dosen aus eigener Tasche aufzukaufen, „um sie dann an die drei medizinischen Einrichtungen in Tansania verschenken zu können“. Begleitet worden wäre der Transport von Dr. Britt Hornei. Die Chefärztin der Klinik für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen ist ebenfalls Mitglied des Krisenstabs.

Afrika benötigt allein in den nächsten Wochen 20 Millionen Astrazeneca-Dosen

Die Ategris GmbH, zu der die Evangelischen Krankenhäuser Oberhausen (EKO) und Mülheim (EKM) gehören, hatte schon im September 2008 eine Partnerschaftsvereinbarung mit dem ELCT Nyakahanga Hospital in Tansania (Ostafrika) unterzeichnet. Britt Hornei selbst unterstützt außerdem über die kleine Kölner Hilfsorganisation EliOra direkt das St. Elisabeth-Krankenhaus in Arusha (größte Stadt in Tansania) und eine Krankenpflegeschule in Rhombo am Kilimandscharo. Allen drei Einrichtungen wollten die Oberhausener mit der Hilfslieferung aus der Not helfen.

Denn der Impfstoffmangel in Afrika ist groß. Wie die Deutsche Welle berichtete, benötigt der Kontinent allein in den kommenden Wochen 20 Millionen Dosen des Impfstoffs von Astrazeneca, um bei Erstimmunisierten das Impfintervall für einen vollen Schutz einhalten zu können. Schnelle Lieferungen aber seien nicht in Sicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Europäische Union entsprechend dringend um die Abgabe von überschüssigen Impfdosen gebeten.

Zehntausende Impfdosen liegen in der Region ungenutzt herum

Die einen schmeißen das wertvolle Arzneimittel weg, die anderen gehen leer aus? „Dazu darf es nicht kommen“, meint nicht nur Stephan Becker. Der Allgemeinmediziner war nach der Veröffentlichung unseres ersten Berichts über die geplante Hilfslieferung mit Anrufen von Kollegen aus der Region geradezu überhäuft worden. „Eine Medizinerin aus Marl wollte uns ebenfalls Tausende Astrazeneca-Impfdosen zur Verfügung stellen, die im Kreis Recklinghausen ungenutzt herumliegen und dort auf ihr Verfallsdatum zulaufen.“ Ähnliche Pläne hatten nach Auskunft eines Klinikmitarbeiters aus Duisburg auch Mediziner in der Nachbarstadt. Dort soll es sich sogar gleich um rund zehntausend Ampullen handeln.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) weiß, dass er an diesem Thema nicht mehr vorbeikommt. Im Hintergrund laufen bereits Gespräche mit den Herstellern, um eine generelle Lösung für nicht verwendete Impfstoffe zu finden. Fachanwälte sind dabei, „die komplizierte Materie aufzuarbeiten, die Verträge mit den Herstellern zu überarbeiten und Haftungsfragen zu klären“.

Dr. Heinrich Vogelsang, Ärztlicher Leiter des Oberhausener Impfzentrums, hat dazu eine klare Meinung: „Wir benötigen jetzt schnelle Entscheidungen und ein rasches Handeln, damit nicht alle Restimpfdosen in der Tonne landen, bevor sie die Menschen erreichen, die sie so sehr benötigen. Die Zeit für langes Feilschen ist vorbei.“ Dies gelte auch im Hinblick auf mögliche Restimpfstoffe in den Impfzentren. Denn in Essen etwa passiert inzwischen bereits immer häufiger, was noch vor wenigen Wochen undenkbar war: Angebrochene Impf-Ampullen, für die sich keine Abnehmer finden lassen, fließen in den Ausguss. Für nicht verwendete komplette Ampullen von Biontech und Moderna, für die eine längere Haltbarkeit gilt, wünscht sich Vogelsang künftig jedenfalls eine bessere Lösung.

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