Berlin. Überschüssige Corona-Impfdosen gehören den Bedürftigen dieser Erde - aber auf keinen Fall in den Sondermüll, kommentiert Jörg Quoos.
Wir haben uns in Deutschland schon an manch bizarren Überfluss gewöhnt. Fast von allem gibt es in unserem Wohlstandsland zu viel. Jetzt ist sogar der Impfstoff gegen das tödliche Coronavirus überschüssig.
Ausgerechnet der Stoff, der so begehrt war wie ein Lebensmittelpaket nach dem Krieg. Für den eine harte Priorisierungsverordnung erlassen werden musste, damit das kostbare Gut möglichst schnell die verletzlichsten Gruppen der Gesellschaft schützte.
Und jetzt: Die Impfstofflager sind voll und in den großen Impfzentren herrscht gleichzeitig gähnende Leere. Biontech, Moderna und besonders das ungeliebte Astrazeneca drohen zu verfallen. Das darf auf keinen Fall passieren. Impfstoffchargen, die im Sondermüll landen, wären eine Schande für die Gesellschaft und ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen auf der Welt, die sehnsüchtig noch auf den lebensrettenden Stoff warten.
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Weltweite Impfkampagne: Das Coronavirus kennt keine Grenzen
Allen Verantwortlichen, die jetzt die Überschussbestände verwalten, muss klar sein: Das ist nicht der neue Butterberg oder ein Milchsee. Der Corona-Impfstoff ist kein Wegwerfartikel! Jede in Deutschland nicht verimpfte Dosis kann woanders auf der Welt Leben retten. Wegwerfen sei eine „Todsünde“ meinte die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann. Recht hat sie.
Daher muss es der Bundesregierung gelingen, schnell eine Lieferkette zu organisieren, um den Impfstoff vor der Vernichtung zu retten. Das gebietet nicht nur die internationale Solidarität, sondern es macht auch unser Leben sicherer. Das Virus kennt schließlich keine Grenzen. Es erreicht uns im Urlaub und wird bei Einreisen tausendfach eingeschleppt.
Wird der Rest der Welt schneller geimpft, macht das auch das Leben bei uns in Deutschland sicherer. Hier haben über sechzig Prozent der Bevölkerung bereits mindestens eine Impfung erhalten. In den ärmsten Ländern der Welt sind es gerade knapp über ein Prozent, errechnete die Universität Oxford. Diese Zahlen verpflichten alle mit Impfstoffreserven zu schneller Hilfe.
Der Corona-Impfkampagne in Deutschland fehlt es an Kreativität
Und auch die Impfaufklärung muss schnell und entschlossen vorangetrieben werden. Die Kampagne ist noch dünn, es fehlt an Kreativität und Werbepower. Man hat den Eindruck, dass die Regierung viel kreativer war, als es darum ging, staatliche T-Aktien unters Volk zu bringen, als jetzt bei der Werbung für die Corona-Vakzine.
Und warum nicht die Impffaulen plump ködern? In Thüringen gehen zum Beispiel mehr Menschen zum Impfen, wenn danach eine kostenlose Bratwurst lockt. In Israel gab es den Gratisdrink zum Impfen in der Bar. Solche Methoden mag man grenzwertig finden – aber der gute Zweck heiligt in diesem Fall die Mittel.
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Corona-Impfungen: Politik sollte mit gutem Beispiel vorangehen
Auch die Politik sollte die Impfkampagne konsequenter anschieben, mit gutem Beispiel vorangehen und die Bremser beiseiteschieben. Man fragt sich wirklich, warum ausgerechnet der beinharte Corona-Bekämpfer Markus Söder seinen Wirtschaftsminister und Vizeregierungschef Hubert Aiwanger von den Freien Wählern nicht längst aus dem bayerischen Kabinett geworfen hat. Stattdessen darf er vor Millionen Menschen eine krude, wissenschaftsferne Stimmung schüren.
Ja, Koalitionen aus unterschiedlichen Parteien mögen in normalen Zeiten sakrosankt sein. Mit der Pandemie und über 90.000 Verstorbenen leben wir aber nicht in normalen Zeiten. Es ist das gute Recht Aiwangers, impfskeptisch zu sein, und er muss sich auch nicht impfen lassen. Aber in einer Regierung, die Schaden vom Volk abwenden und Bürgerinnen und Bürger zum Impfen animieren muss, hat er wirklich nichts mehr verloren.
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